Seelenbrand (German Edition)
gleich ohnmächtig! Das ist das Ende! Die Apokalypse! Sie holen mich!
Die Kreatur machte einen Schritt auf ihn zu, und ihr verunstaltetes Maul bewegte sich. Ein unerträgliches Donnern ließ ihn seine Hände hochreißen, um sie schützend auf seine Ohren zu pressen. In genau diesem Augenblick bohrten sich die Krallen des Monsters in seine Schultern. Es hatte ihn mit beiden Pranken ergriffen und schüttelte ihn wild hin und her. Immer wieder brüllte es ihn mit seiner tosenden Stimme an. Die blasigen Lippen, aus denen eine eitrige Flüssigkeit quoll, bewegten sich, aber er konnte kein Wort verstehen. Ihm schwanden die Sinne, als er den stinkenden Atem dieser Ausgeburt der Hölle spürte und die Katzenaugen in den fauligen Augenhöhlen blitzen sah. Er wankte, seine Knie gaben nach.
Noch wenige Augenblicke, und er war erlöst! Er spürte es!
Seine Augen wurden starr, und sein Blick brannte sich im Gesicht dieses Dämons fest. Auf der von Blasen entstellten Stirn der Kreatur bewegte sich etwas hin und her. Die Beulen bewegen sich! Sie leben! Sie wurden immer größer und platzten auf. Ein eitriger Schwall schoß aus jeder Wunde und lief die grüne Echsenhaut herunter.
Da! Da! Pierre konnte nur noch röcheln, er bekam keine Luft mehr. Auf der Stirn des Dämons wuchsen Hörner! Er konnte sehen, wie sie vor seinen Augen aus den nässenden Löchern krochen. Sie wuchsen!
Dunkelheit umhüllte ihn.
»Herr Pfarrer, Herr Pfarrer! Kommen Sie doch bitte wieder zu sich! Mein Gott, Herr Pfarrer!«
Woher kommt diese Stimme? Sie ist so weit entfernt. Bin ich tot? » Aua!« Irgend jemand ohrfeigte ihn unentwegt. Bäh! Ein stechender Geruch riß ihn aus seinem Traum.
»Kommen Sie schon!« flehte eine Stimme, während er hin und her geschüttelt wurde.
Eine weitere Schwade dieser übelriechenden Substanz holte ihn endgültig ins Leben zurück.
»Da sind Sie ja wieder! Gott sei Dank!«
Pierre schlug seine Augen auf und erblickte Severins Gesicht über sich. Panisch schüttelte dieser immer noch an seinen Schultern.
»Jetzt bleiben Sie bloß wach!« rief er immer wieder besorgt und hielt ihm ein Fläschchen unter die Nase.
Plötzlich schaltete sich sein Verstand wieder ein. Natürlich! Ich bin doch bei Bruder Severin in seiner Hütte ... um ihm dieses Pflänzchen zu zeigen!
»Kommen Sie, setzen Sie sich auf! Ich helfe Ihnen!« Noch ein wenig wackelig in den Knien, schleifte ihn sein Gastgeber auf den Stuhl am Tisch.
»Wo ist der Dämon!« Pierre drehte seinen Kopf panisch zu allen Seiten. »Er war gerade doch noch da! Ich hab’ ihn mit eigenen Augen gesehen. Er hat mir fast die Schultern zerquetscht!« Unwillkürlich griff er sich an die Stelle, an der er die Krallen in seinen Körper hatte eindringen sehen. Aber dort war nichts. Kein Blut, gar nichts!
»Hier, trinken Sie das. Gleich geht es Ihnen besser!« Der Kräuterbruder stellte ihm einen Becher vor die Nase und setzte sich seufzend auf den Stuhl daneben. »Gott sei Dank! Da haben wir aber noch mal Glück gehabt!«
Pierre fühlte sich zwar noch ein wenig steif in den Gliedern, aber sein Verstand arbeitete langsam wieder im gewohnten Takt. »Hören Sie, Severin ...«, er japste immer noch und beäugte – während er an seinem Becher nippte – unentwegt den Raum, »... wo ist diese Kreatur geblieben?«
Die Ziegen lagen ruhig in der hinteren Ecke des Raums auf dem Bett und kauten friedlich vor sich hin.
»Hier gibt es keine Kreatur!« Severin sprach ungewöhnlich ruhig und legte seine Hand auf Pierres Arm, der sich langsam zu seinem Gastgeber umdrehte und diesen vielsagend anstarrte. Der Bruder nickte. »Das war nur die Wirkung der Alraune«, flüsterte er leise und tätschelte dabei seinem Gast fürsorglich die Hand.
»Wollen Sie damit etwa sagen ...«, Pierre stellte sein süßes Getränk auf den Tisch, »... daß ich mir das alles nur eingebildet habe?«
Severin fuhr sich mit den Händen durch seine wüsten und abstehenden Haare. »Ich fürchte, daß ich ein wenig zu viel von der Salbe genommen habe.« Nach Gnade flehend blickte er Pierre in die Augen. »Aber wer konnte denn auch ahnen, daß die Kräuter bei Ihnen so stark wirken.« Er raufte sich immer wieder die wild zerzauste Mähne. »Oh Gott, oh Gott! Das werde ich mir nie verzeihen!« jammerte er und sprang auf. »Sie waren fast eine halbe Stunde ohnmächtig!« Er rannte nervös hin und her undredete laut mit sich selbst, während er wild mit den Händen gestikulierte. »Ich hab’ noch nie erlebt, daß
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