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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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die Kräuter bei jemandem eine derartig starke Wirkung entfaltet haben. Ich ...« Er schüttelte den Kopf. »Es tut mir so leid!«
    Pierre hörte gar nicht zu. Abgesehen von dem infernalen Schrecken, den ihm diese Gestalt eingejagt hatte – er betrachtete seine Hände und sah dann an sich herunter – war ihm kein Schaden zugefügt worden. Aber die Erkenntnis, daß er nicht in der Lage war, Illusion und Wirklichkeit auseinanderzuhalten, traf ihn härter als alles andere. Er war doch kein Wahnsinniger, so wie der Totengräber und all die anderen, die den toten Pfarrer herumspuken sahen. Er war doch nicht verrückt, oder?
    Erschöpft sah er zu Severin herüber, der sich immer noch Selbstvorwürfe machte.
    Plötzlich polterte es an der Tür. Zwischen den Donnerschlägen war Stimmengewirr und Geschrei zu vernehmen. Bum! Bum! Bum! Wieder hämmerte jemand an die Tür.
    Severin sah Pierre ängstlich an und schlich schließlich hinüber, um nachzusehen, wer draußen war.
    »Machen Sie auf!« rief eine Männerstimme. »Ich bin’s, Olivier!«
    Hastig zerrte der Kräuterbruder den Balken aus der Halterung. Draußen stand dieser Blödian bereits bis zu den Knöcheln im Wasser. Von seinem durchweichten Hut, dessen Rand unförmig und schlapp herunterhing, strömte der Regen auf seine Schultern. Unaufhörlich zuckten die Blitze hinter ihm in der gelbschwefeligen Luft.
    »Endlich habe ich Sie gefunden, Herr Pfarrer!« keuchte er und wischte sich ein Rinnsal von der Stirn. »Kommen Sie schnell! Es brennt! Der Blitz hat eingeschlagen. Schnell, kommen Sie!« Noch ehe Pierre antworten konnte – er saß immer noch leicht benommen am Tisch und nippte an seinem Gebräu –, eilte Olivier in Richtung Straße davon.
    »Verdammt! Hier kann man nicht einmal in Ruhe bewußtlos werden!« fluchte er und raffte sich hoch.
    Severin zog sich eilig die zerfetzte Kapuze seiner löchrigen Kutte über den Kopf. »Warten Sie! Ich komme mit!« Pierre war schon am Gatter des Kräutergartens, als der Bruder die massige Tür von außen zuknallte und gewissenhaft abschloß.
    Schon von weitem konnten sie den Feuerschein am Himmel erkennen, als sie die Dorfstraße in Richtung Pfarrhaus hinaufrannten. Das Wasser stand überall in großen Pfützen. Einige Leute liefen aufgeregt mit Eimern umher und riefen ihnen etwas zu. Da hinten war das Feuer! Direkt an der Kirche! Der gelblich rote Schein der Flammen erhellte die schwarzen Wolken, die in wilder Fahrt über den Himmel jagten.
    Als er an der Pension von Madame Pauline entlanghastete, begann es plötzlich einzelne Papierblätter zu regnen. Andere lagen bereits verteilt auf der Straße. Es war die Villa! Der Dachstuhl brannte lichterloh. Die Hitze des Feuers riß immer wieder einzelne Blätter zwischen den verkohlten Dachbalken in die Höhe. Sie wurden in der heißen Luft herumgewirbelt. Das sind doch die Papiere aus der Truhe!
    Pierre hatte hastig einen Zettel aufgehoben, als er auf die Menschenmenge zurannte, die sich in sicherer Entfernung vor der Villa versammelt hatte.
    Es war aussichtslos. An ein Löschen war nicht zu denken. Die Holzkisten, die dort oben lagen, brannten wie Zunder. Es wäre Selbstmord!
    Die Flammen leckten wie im Freßrausch wieder und wieder aus dem verkohlten Dach heraus und verhöhnten die hilflosen Kinder Gottes, die machtlos unten vor den Mauern standen und ängstlich hinaufsahen. Die Feuerzungen jagten und sprangen herum wie die Teufel, die einen Schwarm Seelen vor sich hertrieben. Die Kanoniere in den schwarzen Wolken tanzten auf ihrem Höllenschiff ...

9
    Bing! Bing! Bing! Jeder Schlag mit der Hacke auf die Bodenfliese wurde im Kirchenraum zu einem ohrenbetäubenden Lärm verstärkt, der als Widerhall herumsauste, bevor er dann ganz langsam ausklang.
    »Psst! Nicht so laut!« zischte Marie.
    »Wenn Sie leiser hacken können, versuchen Sie es.« Pierre hielt mitten im Schlag inne. »Außerdem sollten Sie doch eigentlich das Pfarrhaus putzen!«
    »Ja, ja, später«, wehrte sie ab und kniete sich zum Sockel der Statue hinunter, um mit den Fingern den Erfolg ihres lärmenden Tuns zu prüfen. »Nein, keine Veränderung! Das Ding sitzt immer noch fest!«
    »Es hilft nichts! Diese Teufelsfigur muß hier raus!« Er schlug erneut zu. »Die Leute im Dorf interessiert es überhaupt nicht, ob dieser häßliche Kerl hier der Hüter der Geheimnisse ist, wie Bruder Severin gesagt hat ...«, wieder sauste das Werkzeug hernieder, »... oder der leibhaftige Satan. Fratze bleibt Fratze und hat in

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