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Seelenbrand (German Edition)

Seelenbrand (German Edition)

Titel: Seelenbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Mickholz
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Voller Glückseligkeit deutete Severin auf den kleinen Tiegel in seiner Hand. »Es hat Monate gedauert, ehe ich diese winzige Menge beisammen hatte.« Seine Augen leuchteten, als er vorsichtig und voller Ehrfurcht das kleine Gefäß öffnete und Pierre unter die Nase hielt. »Alraune! Ein Extrakt!«
    »Sie meinen, Sie haben diese Paste aus dem gleichen Pflanzending hergestellt, das ich Ihnen mitgebracht habe?«
    Severin nickte eifrig. »Man nimmt nur die Wurzel!« Er roch an der salbenartigen Substanz ohne eine Miene zu verziehen. »Aber sie wächst hier nur noch an ganz wenigen Stellen!«
    »Und wo?« fragte Pierre. Um das herauszukriegen, war er ja schließlich in diesem Unwetter, das draußen immer noch wie das jüngste Gericht wütete, hergekommen und hatte sich bis auf die Knochen naßregnen lassen.
    Severin schwieg und überlegte. Seine Augen wanderten einige Zeit lang ziellos an der Decke hin und her, ehe er seinen Gast wieder ansah.
    »Ihr Geheimnis ist bei mir auch wirklich gut aufgehoben, ich schweige wie ein Grab! Ich will Ihnen auch gewiß keine Konkurrenz machen, beim ...«, er deutete auf den Extrakt, »... Salbenmachen.«
    Quälend langsam bewegten sich die Gedanken durch das Hirn des Kräuterbruders, der offensichtlich für einen Augenblick weggetreten war, dabei aber auch seine fürchterliche Nervosität abgelegt hatte. Das wird doch nicht die Wirkung dieses Extraktes gewesen sein, an dem er gerochen hat? Quatsch! Alles Hokuspokus! Ein Sälbchen für den Schnupfen ... ja, das mag ja noch angehen ... aber dieses andere Gerede über Hexenkräuter ... Wahrscheinlich hat er heimlich getrunken. Bestimmt! Es würde mich nicht wundern, wenn er da hinten drin in Wirklichkeit nur Kräuterschnäpse brennt.
    »Ja, ja, ja, natürlich!« Mit glasigen Augen blickte ihn der Lumpenbruder an. »... Aber was haben Sie gefragt?«
    Dieser verdammte Selbstgebrannte hat ihm das Hirn vernebelt!
    »Sie wollten mir doch sagen, wo diese Alraune wächst«, wiederholte Pierre geduldig.
    Langsam kehrte das zappelige Leben in den Körper seines Gastgebers zurück. »Ja, ja«, er machte einige wirre Handbewegungen, »jetzt weiß ich’s wieder.« Er sah rechts und links über seine Schultern, um sicherzugehen, daß sie niemand belauschte. »Einige große Exemplare«, flüsterte er Pierre ins Ohr, »wachsen direkt vor meiner Tür, ein bißchen unterhalb der Weide, da wo diese verfressenen Viecher nicht hinkommen.« Eine abfällige Handbewegung in Richtung der Ziegen folgte. »Und manchmal ...«, jetzt kam er noch näher, so daß Pierre seinen Atem riechenkonnte – kein Alkoholgeruch, seltsam –, »... manchmal hole ich sie mir vom Friedhof in Couiza. Aber der Pfarrer weiß nichts davon!«
    Couiza? Das ist doch dieses Nest, in dem der Gendarm den Totengräber in Verwahrung hat. Und der Pfarrer ... ja, das war doch dieser fürchterlich beliebte Mensch, der sich auf dem Kirchplatz kaum des Ansturms seiner Pfarrkinder erwehren konnte.
    Severin starrte ihn gespannt an, aber es dauerte einen Moment ehe Pierre begriff, was der Bruder von ihm wollte.
    »Nein, nein«, winkte er ab, »von mir erfährt keiner etwas!«
    »Und wenn ich dort am Friedhof keine Alraune finde, dann gehe ich zur Ruine hinüber.«
    »Welche Ruine meinen Sie?« Pierre wurde hellhörig.
    »Na, die von Blanchefort! Aber ...«, der Zappelige flüsterte wieder und sah sich ängstlich um, »... aber nur, wenn es unbedingt sein muß. Dieser Ort ist unheimlich und jagt mir Schauer über den Rücken.«
    »Blanchefort!« murmelte Pierre. Das ist doch dieselbe Ruine, in der wir das Licht gesehen haben, als wir durch den Gang aus der unterirdischen Halle gekrochen sind. » Der Stammsitz Bertrand de Blancheforts, einem Großmeister des Templerordens, nicht?«
    Ehrfurchtsvolles Nicken.
    »Gehen Sie auch nachts dorthin?«
    »Nie, nie, nie!« Severin warf beide Hände hoch und ließ vor lauter Schreck den Tiegel mit seiner Hexensalbe fallen. »Niemals bei Dunkelheit!« schrie er voller Panik.
    Sehr interessant! Vielleicht sollte ich mal einen Spaziergang zur Ruine machen und mich dort ein wenig umsehen. Er erhob sich von seinem Stuhl und bückte sich nach dem heruntergefallenen Tiegelchen. Severin war viel zu aufgeregt, um den Deckel wieder aufzuschrauben. Eigentlich hatte er alles erfahren, was er wollte, und obwohl draußen immer noch das Gewitter wütete – Kanonenschlag auf Kanonenschlag ließ das Haus erzittern –, so mußte er doch irgendwann zurück ins

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