Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
nütze, doch immerhin bot sie ein gewisses Maß an Ablenkung.
»Doch ein wenig Kind geblieben, wie ich sehe.« Nathan glitt neben sie. So nahe, dass sie ihn fühlen konnte, obwohl er sie nicht berührte.
Mia tat so, als hätte sie nichts gehört.
Einfach ignorieren, dann verzieht er sich von selbst.
Doch diesen Gefallen tat er ihr nicht. Stumm saß er neben ihr und beobachtete ihre Fingerfertigkeit in Sachen Kindergartenbasteleien.
»Ich bin ein ziemliches Arschloch, oder?«
Mia fiel vor Überraschung der Kranz aus den Händen.
»Wie bitte?« Sie musste sich verhört haben, das konnte Nathan eben nicht gesagt haben. Unmöglich! Eine Täuschung ihres Gehörsinns. Eindeutig. Mia knibbelte an ihren Ohren.
»Ich sagte, dass ich in deinen Augen wohl ein ziemliches Arschloch bin.«
Doch nicht verhört. Dann blieb nur noch die Möglichkeit, dass es sich um eine ausgewachsene Halluzination handelte. Doch wenn dem so war, so genoss sie jede einzelne Sekunde dieser Sinnestäuschung. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass sie in einem Gespräch mit einem der Le Vrais im Fahrwasser nicht unterging, würde sich so schnell nicht wieder bieten.
»Definitiv bist du in meinen Augen das, als was du dich eben bezeichnet hast. Wobei …«
Mia tat, als müsse sie überlegen.
»Eigentlich hast du dich noch ziemlich soft beschrieben. Ignorantes Riesenarschloch würde es wohl besser treffen.«
Nathan bückte sich, hob den Kranz vom Boden und drehte ihn zwischen den Fingern, ehe er ihn an Mia weiterreichte.
»Du hast recht.«
Mia zuckte die Achseln. »Schön, dass wir wenigstens mal einer Meinung sind. Und jetzt lass mich in Frieden.«
»Ich will nicht, dass du mich hasst.«
»Ich hasse dich nicht. Du bist mir scheissegal.«
»Das will ich noch weniger.«
»Hättest du dir vielleicht ein wenig früher überlegen sollen«, brummte Mia tonlos.
Das Gespräch fing an, ihr auf die Nerven zu gehen. Was wollte Nathan von ihr?
»Es tut mir leid, wie ich mich verhalten habe.«
Die Konversation erinnerte Mia stark an ihren Wortwechsel mit Aleksander in der Nacht, als er ihr gestanden hatte, dass er angeblich etwas für sie empfand. Nur um sie tags darauf genauso mies zu behandeln, wie die Zeit davor.
»Und jetzt wirst du mir sicher gleich gestehen, dass du mich magst und du dich nur aus reinem Selbstschutz so abweisend verhalten hast. Denn in Wirklichkeit bist du ein total verschüchterter Kerl.« Es war purer Sarkasmus, den Mia da von sich gab.
»W … woher weißt du das?« Nathan tat vollkommen entrüstet.
Mia verdrehte die Augen mit solcher Macht, dass sie Gefahr lief, ihren Kopf von innen betrachten zu können.
Sie stand auf und warf den Blumenkranz Nathan vor die Füße.
»Pech für dich. Leider ist dir dein Bruder mit der gleichen Masche zuvorgekommen. Und soll ich dir was sagen? Sie hat nicht gefruchtet und bei dir wird sie das auch nicht.«
Wütende Blitze schossen aus ihren Augen. Wie eine Furie bahnte sie sich ihren Weg.
Doch auch Nathan gab nicht so schnell auf. Das lag wohl daran, dass die Zwei Zwillinge waren und allem Anschein nach nicht nur das gleiche Aussehen, sondern auch ein ähnliches Naturell aufwiesen.
Er lief Mia nach, schnappte sich ihre Hand und hielt sie fest.
Unter Aufbietung all ihrer Kräfte versuchte sie sich zu befreien, doch es gelang nicht.
Jetzt kam die Angst zurück. Seine ganze Haltung strahlte Bedrohliches aus. Und Hannas Verschwinden war immer noch ungeklärt. Mias Augen huschten suchend über die Wiese. Doch sie sah niemanden in ihrer Nähe, der ihr im Fall der Fälle hätte helfen können.
»Bitte, Nathan. Lass mich los«, winselte sie mit Tränen in den Augen.
»Nicht, bevor du mich angehört hast«, antwortete dieser bestimmt.
Mia senkte kapitulierend den Kopf. Welche Wahl blieb ihr schon.
»Komm«, flüsterte er und zog sie über die Wiese.
Hinter einer Ansammlung kleiner Tannen drückte er sie zu Boden.
Nathan legte sich auf die Seite und stützte seine Arme links und rechts von ihrem Oberkörper ab.
Gefangen! Ausgeliefert!
Nathan fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
Ein Versuch, Zeit zu schinden? Oder will er einfach nur unsicher wirken, um sich einen Vorteil in Sachen Glaubwürdigkeit zu erschleichen?
»Mia«, fing er mit rauer Stimme an zu sprechen. »Ich bin, wie ich bin, weil ich anders nicht sein kann und auch nicht sein möchte.«
»Tolle Ausrede«, krächzte Mia. »Die muss ich mir unbedingt notieren.«
Nathan
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