Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
grinste. »Da siehst du mal, von mir kann man so Einiges lernen.«
Doch dann wurde er wieder ernst.
Tief sah er ihr in die Augen. Mit diesem unnatürlichen stählernen Blau.
»Wenn ich wäre, wie ich wirklich bin, brächte mich das Tag für Tag an die Grenzen meiner Belastbarkeit.«
»Ich wusste gar nicht, dass du auf Sensibel gepolt bist.«
Nathan nickte.
»Hast du nicht bemerkt, wie uns die Mädchen hinterher laufen? Man könnte meinen, wir seien Freiwild und zum Abschuss freigegeben. Kein Artenschutz für mich und Aleksander. Jagdsaison das ganze Jahr.«
Mia stieß verächtlich die Luft aus.
»Jetzt sag bloß nicht, dass dir das unangenehm ist. Du nimmst dir doch die Mädels, wie andere sich ihre tägliche Schokoladenration.«
Nathans Blick drang tiefer in sie.
Ultraschallblick.
Und Mia konnte sich nicht dagegen wehren.
»Was soll ich deiner Meinung nach tun? Sie werfen sich mir scharenweise an den Hals. Ohne Hirn und ohne Verstand. Du hingegen …«
Röntgenblick.
»Du hingegen bist die Erste, die mich abgewiesen hat. Und gerade das macht dich so interessant und besonders.«
Computertomografischer Blick.
»Mia, ich liebe dich! Und ich will dich besitzen. Du sollst mein sein. Ich lasse dich nicht gehen. Nie wieder!«
Goldenes Licht waberte um ihn.
Nein, kein Licht. Goldene Flammen züngelten an ihm empor.
Der Feuerschein verwandelte seine ohnehin schon samtige Haut in pures Gold. Er war so schön, dass es fast schmerzte. Geradezu himmlisch.
Mia kniff die Augen zusammen und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen.
Zwecklos. Ihre Gedanken waren schwammig, glitschig, schwer zu fassen. Wie Algen auf der Wasseroberfläche eines Ozeans.
Und ohne es zu wollen, formten sich hinter ihrer Stirn drei Worte, die sie hatte eigentlich niemals sagen wollen und schon gar nicht zu Nathan Le Vrai.
»Ich … ich …«, setzte sie an.
»Ja? Komm schon, kleine Mia, mache es uns doch nicht so schwer. Sag mir, was du denkst.« Nathans Stimme klang ungemein verführerisch und als er ihr dann auch noch zärtlich über die Wangen strich, war es um sie geschehen. Eine heiße Welle der Zuneigung erfasste sie und riss sie mit.
»Nathan, ich …«
»Nein, Nathan. Nicht sie!«
Mia schrak auf.
Aleksander hatte sich drohend vor ihnen aufgebaut. Silbrige Funken sprühten in seinen Augen. Die Muskeln zum Zerreißen gespannt. Scheinbar kampfbereit.
Nathan sprang auf und ging mit geballten Fäusten auf seinen Bruder zu. Sein Körper saugte das golden flackernde Licht, das ihn umgab, ein. Es war verschwunden. Zurück blieb Nathan, jedoch noch immer atemberaubend schön.
»Was hast du hier zu suchen, Bruder?« Er betonte jedes Wort und das letzte spie er förmlich aus.
»Nicht sie!«, sagte Aleksander nur und sah seinen Zwilling kerzengerade an.
Nathan warf den Kopf in den Nacken und lachte dröhnend.
»Und warum nicht?«
»Sie gehört mir.«
»Das entscheidest nicht du.«
Aleksander funkelte seinen Bruder wütend an. »Warum willst du gerade sie?«
»Vielleicht aus dem gleichen Grund wie du, BRUDER«. Wieder ein Tonfall, als müsste er sich jeden Moment übergeben.
»Ich habe sie zuerst auserkoren.«
Nathan bleckte die Zähne.
»Vielleicht hast du das, aber du bist schwach Aleksander. Zu schwach. Du bist eine Schande und ihrer nicht würdig. Du hattest deine Chance und bist daran kläglich gescheitert. Wieder einmal.«
Er schob sich näher an seinen Zwilling heran und baute sich drohend vor ihm auf.
»Nun bin ich am Zug!«
In diesem Moment bemerkte Mia, wie ein helles, weißes Licht sie von hinten bestrahlte. Kristallweiß und rein.
Immer noch nicht ganz sie selbst drehte sie ein wenig unkoordiniert den Kopf. Was sie sah, erstaunte sie ganz und gar. Eine helle, kristallene Säule mitten im Wald verbreitete dieses seltsame Licht. Sie kniff die Augen zusammen und versuchte zu erkennen, um was es sich genau handelte. Doch ihre Sehkraft war zu schwach, sie konnte dem enormen Lichtschein nicht trotzen. Geblendet senkte sie den Kopf und nahm wahr, dass auch der Streit zwischen Aleksander und Nathan zum Stillstand gekommen war.
Mia sah erneut auf, dieses Mal in die entgegengesetzte Richtung.
Die beiden Brüder standen stumm nebeneinander und blickten geradewegs in den hellen Lichterschein.
Mia erwachte zum Leben. Ihr Gehirn schien wieder einigermaßen zu funktionieren und sie, sie selbst zu sein.
»Lauf!«, hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf. Und genau das tat
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