Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
riesiger Kloß.
»Von Anfang merkte ich, dass du versuchst, jemand zu sein, der du nicht bist.«
Aleksander straffte seinen Oberkörper und sah Mia forschend in die weit aufgerissenen Augen.
»Woher willst du das wissen?«, zischte sie.
Aleksander schnaubte auf.
»Du erträgst es doch nicht einmal, bei deinem richtigen Namen genannt zu werden.«
Aleksander lachte bitter.
»Erst wunderte ich mich sehr über deine Bitte, vom ersten Schultag dich Mia zu nennen, obwohl du doch so eigentlich gar nicht heißt. Doch sehr schnell wurde mir klar, warum du das machst.«
Aleksanders Blick drang tiefer in sie.
»Du willst nicht, dass dich jemand kennt, so wie du wirklich bist.
Mia … das klingt cool, taff, draufgängerisch. Eigenschaften, die du in Wirklichkeit nicht vorzuweisen hast. Darum Mia und nicht Marie-Sophia!«
Aleksander holte tief Luft und ließ sich in den Sitz zurückgleiten.
»Warum bereitet dir es so viel Genugtuung, mich zu verletzten?«, presste Mia hinter zusammengebissenen Zähnen hervor.
Aleksander hob verblüfft die Augenbrauen.
»Das tut es nicht. Im Gegenteil. Doch ich würde gerne hinter die Fassade aus Totenkopf-Shirt, Kaltschnäuzigkeit und Unzugänglichkeit sehen. Denn ich glaube, dahinter verbirgt sich ein wahnsinnig feinfühliges, schüchternes Mädchen, dessen Herz überquillt vor nicht verschenkter Liebe.«
Mia sah Aleksander wortlos an. Tränen stiegen ihr in die Augen. Die Aussage hatte voll ins Schwarze getroffen. Sie wusste, wie es in ihrem Inneren aussah, doch niemals sollte etwas davon nach außen dringen.
Aleksander hatte mit einem Satz geschafft, was ihre Eltern seit Jahren versuchten.
Er hatte ihr einen Spiegel vorgehalten, ihr das Spiegelbild ihrer Seele gezeigt. Unaufhörlich flossen kleine salzige Tropfen, wie Kristalle über ihre Wangen und sammelten sich in dem Schlitz zwischen ihren Lippen.
Energisch versuchte sie die Fassung zu bewahren, doch Aleksander war zu weit in sie gedrungen, hatte ihr so wohl gehütetes Geheimnis ergründet.
Als Mia merkte, dass es ihr nicht gelingen würde, den Tränenfluss zu stoppen, schlug sie die Hände vors Gesicht und vergrub es darin.
Eine ganze Weile saß sie so da, gefangen in einer eigenen Welt aus Schmerz und Trauer.
Eine vorsichtige Handbewegung auf ihrem Kopf brachte sie zurück in die Realität, die jedoch nicht minder schmerzvoll schien.
Zögernd hob Mia den Kopf und sah Aleksander mit tränenverschleierten Augen an.
»Ist es das, was du wolltest? Mich brechen? Bist du nun zufrieden?«, fragte Mia mit erstickter Stimme.
Aleksander schüttelte traurig den Kopf.
»Es war Zeit, Mia. Zeit, zu sich und seinen Schwächen zu stehen. Gefühle zuzulassen und zu lernen, mit ihnen umzugehen.«
Mia ballte die Hände zu Fäusten und funkelte ihn hinter dem Schleier aus Tränen wütend an.
»Was bildest du dir eigentlich ein, hä?« Ihre Stimme wurde immer hysterischer und steigerte sich in ein Kreischen.
»Was in aller Welt bildest du dir ein, Le Vrai? Meinst du machst hier einen auf Psychodoc und ich schütte dir mein Herz aus. Aber so einfach ist es nicht.«
In Mia brachen sämtliche Dämme, sie hob die Fäuste und trommelte ungeniert auf Aleksanders Brust.
»Hast du gehört? So einfach ist es nicht. Es geht dich einen Dreck an, wie es in mir aussieht. Du bist nichts weiter als ein selbstverliebter Obermacho. Und ich hasse dich noch immer, Aleksander Le Vrai und das aus tiefstem Herzen!«
Aleksander fing Mias Hände ein, hielt sie fest und sah ihr tief in die Augen.
»Das ist gut … für dich!«
»Sagt mal, was ist denn hier los?«
Durch Mias Gefühlsausbruch war der Busfahrer auf sie aufmerksam geworden, hatte den Bus auf einen Rastplatz gelenkt und sich unbemerkt genähert.
»Also redet! Was veranstaltet ihr hier für einen Zirkus?«
Mia senkte den Kopf. Sollte doch Aleksander sehen, wie er die Sache wieder geradebog.
»Es ist nichts«, sagte Aleksander keck.
»Rein gar nichts. Die Kleine hat nur Heimweh und ich habe sie damit aufgezogen. Dann ist sie ausgetickt. Sie wissen ja, wie Frauen so sind.«
Er schenkte dem Busfahrer ein verschwörerisches Augenzwinkern.
Dieser grinste daraufhin breit.
Sprachlos über so viel Dreistigkeit saß Mia mit weit aufgerissenen Augen auf ihrem Sitz.
»Musst dich nicht mehr lange grämen, in gut einer Stunde, bist du wieder daheim bei Mami«, frotzelte der Busfahrer.
»Und beim nächsten Heulkrampf warnst du uns bitte vor. Ich
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