Seelenfaenger - Deine Liebe raubt dir den Verstand
nicht mehr aus!
Erst am DJ-Pult holte Aleksander sie ein.
»Bitte bleib«, formte er lautlos mit seinen Lippen, da der Gebrauch jeglicher Stimme bei den lauten Techno-Rhythmen reine Verschwendung gewesen wäre.
»Wieso sollte ich«, brüllte Mia gegen die Musik an.
Aleksander packte sie sanft, aber bestimmt am Ärmel und zog sie in den kleinen Durchgang zwischen Disco und Toiletten.
Hier war die Lautstärke wenigstens einigermaßen erträglich. Doch die kleine Nische war dermaßen überfüllt von Menschen, dass Mia gegen die Wand gepresst wurde und Aleksander gegen sie.
So standen sie, unfähig sich zu bewegen, da der Strom sich durchquetschender Menschen nicht enden wollte.
Sein Gesicht schwebte so nah vor dem ihren.
So verdammt nah.
Konnte eine Ausgeburt der Hölle tatsächlich von solch himmlischer Schönheit sein?
Mia versank in den Tiefen seiner silbrig-blauen Augen.
Wie flüssiges Silber, das sich mit Tinte vermischt.
Aleksander hielt ihren Blick gefangen.
Um seine Lippen lag ein ernster Zug und die Augen waren leicht zusammengezogen und verliehen seinem Gesicht einen gewichtigen Ausdruck.
Mia atmete seinen, ihr mittlerweile so vertrauten Duft ein. Er weckte in ihr Erinnerungen an das Ferienlager.
An jene so paradoxe Zeit, deren Rätsels Lösung sie erst jetzt gefunden hatte.
Und sie dachte an Aleksanders und Nathans merkwürdiges Verhalten, das sie nun nachvollziehen konnte.
Ob sie es jemals verstehen würde, das stand auf einem ganz anderen Blatt.
Eine Meute sichtlich betrunkener Jugendlicher kämpfte sich rücksichtslos durch den verstopften Gang. Einer von ihnen versetzte Aleksander einen Rempler, so dass dieser hart gegen Mia knallte.
Doch Aleksander schien dies nicht zu stören. Im Gegenteil. Seine Lippen waren jetzt so nah vor den ihren, dass es schwer gewesen wäre, ein Blatt Papier hindurchzuschieben.
Sein Atem, süß und heiß, wehte ihr ins Gesicht und jagte ihr angenehme Schauer über den ganzen Körper.
Und obwohl sie ihn eigentlich hätte abgrundtief hassen müssen, verzehrte sie sich nach ihm.
»Kleiner Stern, was machst du nur mit mir«, flüsterte er mit heiserer Stimme und sah sie mit einem so sehnsuchtsvollen Blick an, dass Mia wusste, gleich würde er sie küssen.
Sie öffnete den Mund, um zu protestieren, doch es blieb bei dem Versuch. Noch ehe ein Wort über ihre Lippen schlüpfen konnte, legten sich Aleksanders Lippen auf die ihren.
Er fühlte sich so weich an. So süß. So unwiderstehlich. Mit dem Kuss zerfloss ihr innerer Widerstand, ihre Bedenken, ihre Vorbehalte, ihre Befürchtungen und ihre Angst. Sie wurden weggespült von einer Flut aus Gefühlen, die unterschiedlicher nicht hätten sein können.
Da war Erleichterung.
Da war Verlangen.
Da war Sehnsucht.
Und noch ein Gefühl, das sie frösteln ließ. Das Gefühl unendlicher, tiefer Liebe.
Und Mia überkam das dringende Bedürfnis, ihm genau das zu sagen.
Sanft löste sie die Lippen von den seinen und sah ihm tief in die Augen.
»Aleksander, ich lie …«.
Zärtlich, aber bestimmt, legte er ihr eine Hand auf den Mund.
»Denk noch nicht mal dran, kleiner Stern«, raunte er ihr ins Ohr.
»Diese Worte sind dir verboten.«
Und erst jetzt verstand Mia, was sie eben im Begriff gewesen war, zu tun.
Eine eisige Hand schloss sich um ihr Herz. Ihr wurde gleichzeitig heiß und eiskalt. Sie stieß Aleksander von sich und lehnte sich Halt suchend an die Wand.
»Oh mein Gott«, flüsterte sie schockiert, »beinahe hättest du mich soweit gehabt.«
Aleksanders Mundwinkel bewegten sich so unübersehbar, dass Mia ihr gesamtes Taschengeld darauf gesetzt hätte, dass er ein Grinsen unterdrückte.
»Wenn ich dich daran erinnern darf, kleiner Stern. Habe ich dich soeben vor dem Verlust deiner Seele bewahrt.«
Mia zog verwirrt die Augenbrauen zusammen und verengte die Augen.
Er hat recht, es war tatsächlich sein Verdienst, dass ich …
»Und warum hast du das getan? Immerhin bist du nach Adam Riese …« Mia hob die Hände und zählte ab.
»… sieben Seelen im Rückstand. Ist es nicht an der Zeit, diesen auszugleichen, Le Vrai?«
Aleksander lachte leise.
»Nein, denn diesmal ist alles anders.«
»Wie … wie meinst du das?«, stotterte Mia und konnte nicht verhindern, dass sie errötete.
Aleksander machte einen Schritt auf sie zu und strich ihr behutsam über die Wangen.
»Dieses Mal ist es genau anders herum.«
Seine Fingerspitzen wanderten von der Wange
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