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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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ein bisschen zu theatralisch, fand Vandenbrecht. Und gleichzeitig sah er einen neuen Hoffnungsschimmer.
    »Umso wichtiger ist unsere Mission bei der Foundation von Sea City«, sagte er und achtete darauf, nicht zu eifrig zu klingen. »Wenn ich mich selbst darum kümmern könnte …«
    »Thorpe ist Ihr bester Mann, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Könnten Sie etwas tun, wozu er nicht imstande ist, Moses?«
    »Nein.«
    »Da haben Sie Ihre Antwort. Übrigens: War das in Marseilles und São Paulo Ihre Idee?«
    »Wie bitte?«
    »Das mit dem Tetranol im Trinkwasser«, sagte Harland. »Stecken Ihre Talentsucher dahinter?«
    Die Worte drangen nur langsam in Vandenbrechts Be wusstsein vor und schienen dabei immer schwerer zu werden, ihn tiefer in den Sessel zu drücken. »Marseilles und São Paulo?«, krächzte er, der Mund plötzlich trocken. »Tetranol?«
    »Im Trinkwasser. Geringe Mengen. Aber vielleicht genug, um neurologische Veränderungen zu bewirken.«
    »Zacharias Calm stammt aus São Paulo«, sagte Vandenbrecht mühsam. »Und Florence Legrande … Ihr erster Kontakt mit dem Philanthropischen Institut fand in Marseilles statt.«
    »Sehen Sie da einen Zusammenhang, Moses?«
    »Einen Zusammenhang?«, wiederholte Vandenbrecht, halb verloren in einem Strudel aus Gedanken.
    »Setzen Sie sich mit Sea City und der Foundation in Verbindung«, sagte Harland. »Weisen Sie auf die Achtundvierzig-Stunden-Frist hin. Und halten Sie morgen früh eine gute Rede, Moses. Sprechen Sie Worte, die der Welt Mut machen.«
    Wie soll das gehen, lautete einer der vielen Gedanken, die durch Vandenbrechts Kopf wirbelten. Wie soll ich der Welt Mut machen, obwohl ich weiß, dass sie kaum zwei Tage später ins Chaos stürzen wird?
    »Ich wünsche Ihnen viel …«
    Das Bild des PI-Präsidenten auf dem Schirm erstarrte für ein oder zwei Sekunden und verschwand. Vandenbrecht beugte sich vor und betätigte die Kontrollen, aber offenbar war die Verbindung unterbrochen.
    Aufgeregte Stimmen übertönten das Brummen der Düsentriebwerke.
    Consuela erschien in der Tür des Lagezentrums. »Moses? Im Grenzgebiet zwischen China und dem Indischen Großraum kam es gerade zu zwei Atomexplosionen. Jeweils fünfzig Kilotonnen.«
    China und der IG, dachte Vandenbrecht, und es war ein losgelöster Gedanke, wie unabhängig vom Gehirn, das ihn dachte. Das konnte eine der Nebenwirkungen von Tetranol sein, dass einem die eigenen Gedanken fremd vorkamen. Viele der Kandidaten, die für den Foundation-Einsatz in die engere Wahl gezogen worden waren, hatten nach den Tetra-Behandlungen von dem Gefühl berichtet, »neben« sich zu stehen, zu Beobachtern des eigenen Denkens und Fühlens zu werden. Thorpe, der beste von ihnen allen, hatte von »absurden Gedanken« gesprochen. Vandenbrecht erinnerte sich auch an die Warnungen des Projektarztes vor schizoiden Tendenzen, gerade in Verbindung mit dem vorbereiteten Traum, den die Person in sich tragen würde, die sich schließlich auf den Weg zur Foundation machte. In Verbindung mit , flüsterte es zwischen Vandenbrechts Schläfen. Alles stand miteinander in Verbindung, dachte er, in einer Sekunde des Schreckens und der Erkenntnis. Alles war miteinander verzahnt. Sie waren Teil einer großen Maschine, einer riesigen Maschine, deren Zahnräder und Wellen sich bewegten, ohne dass jemand von ihnen sagen konnte, welches Ziel diese Bewegungen hatten, in welche Richtung sie steuerten. Aber trotz dieser Ignoranz versuchten sie, Einfluss auf die Bewegungen zu nehmen, sie zu lenken.
    »Moses?«, fragte Consuela.
    Fünfzig Kilotonnen, dachte Vandenbrecht. Kleine nukleare Sprengköpfe. Nur die vierfache Sprengkraft der Hiroshi ma-Bombe. Leicht zu transportieren. In einem Koffer. Oder versteckt im Tank eines Wagens. Kein Problem für die Rebellen in Westbengalen, die mit Unterstützung des pakistanischen Untergrunds auf der anderen Seite des indischen Subkontinents für die Unabhängigkeit eines unrealisierbaren bengalischen Staates kämpften, der die ehemaligen Territorien von Bhutan, Birma und Bangladesch unter seiner Souveränität vereinen sollte. Alles steht in Verbindung, dachte Vandenbrecht erneut, und erlebte einen von Tetranol geschaffenen Moment erweiterter Erkenntnis. Für einige wenige Sekunden gelang es ihm, aus der Maschine zu klettern, in der sie alle steckten, ihr Ganzes zu überblicken und zu sehen, woher diese Maschine kam und wohin sie unterwegs war. Er versuchte, den Moment festzuhalten, möglichst viele Einzelheiten zu erkennen

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