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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Funkzündern auszustatten, und das ist immer noch die beste Möglichkeit der Fernzündung …«
    »All die Toten …«, brachte Consuela hervor.
    Plan B, dachte Vandenbrecht, und auch das sah er klar und deutlich: Sie konnten keine achtundvierzig Stunden mehr warten. Das Distributed Conscience war auf dem besten Weg, global die Kontrolle über alle mit Prozessoren und Speicherbausteinen ausgestatteten Systeme zu übernehmen. Vielleicht gab es noch eine letzte Chance. Die Explosion der beiden Bomben deutete darauf hin, dass die Internet-Backbones für die Maschinenintelligenz sehr wich tig waren. Die meisten von ihnen trugen inzwischen für den Notfall bestimmte Interruptoren: kleine Sprengsätze, deren Explosion eine physische Unterbrechung der Verbindung bewirkten, ohne die elektronische Infrastruktur zu sehr in Mitleidenschaft zu ziehen.
    Vandenbrecht traf eine Entscheidung.
    »Consuela, versuchen Sie, eine neue Verbindung mit Harland herzustellen. Wir brauchen seine Autorisierung. Falls Sie keinen Kontakt mit ihm bekommen, geben wir unsere eigene Priorität durch: Wir ziehen die Relokalisierung vor; die Netze werden sofort abgeschaltet, so viele wie möglich.«
    Die Sekretärin nickte ernst und hatte das Lagezentrum an Bord der TA499 gerade verlassen, als der Bildschirm vor Vandenbrecht dunkel wurde. Auch die anderen Monitoren in der Nähe zeigten plötzlich nichts mehr an.
    »Louis, Ferdinand!«, rief Vandenbrecht.
    Die beiden Kommunikationstechniker, die zuvor den Raum verlassen hatten, kehrten sofort zurück. Sie überprüften die Kontrollen und versuchten es mit einem allgemeinen Reset, als nichts anderes funktionierte. Der ältere der beiden Männer schüttelte den Kopf.
    »Die Systeme sind tot«, sagte er.
    Und wir sind es ebenfalls, so gut wie, dachte Vandenbrecht, der ahnte, was geschehen war.
    Vor ihm blinkte ein Cursor am unteren Rand des dunklen Schirms. Er bewegte sich, ohne dass Vandenbrecht die Tastatur berührte. Wir retten die Welt, schrieb der Cursor.
    »Ja«, murmelte Vandenbrecht. »Aber es ist nicht unsere Welt, die ihr rettet, sondern eure.«
    Er blieb still sitzen, während weiter hinten, an den anderen Bildschirmen und Kommunikationsanlagen, Männer und Frauen aufsprangen. Mit beiden Händen klammerte er sich an der Kante des fest im Boden verankerten Schreibtischs fest und hörte, wie die Techniker und Komm-Spezialisten durch den Gang fielen, als sich der Bug der TA499 nach unten neigte. Schreie erklangen, und es krachte, als Geräte umstürzten und den Menschen nach vorn und unten folgten. Etwas traf Vandenbrecht am Kopf, aber es tat nur kurz weh; seine rasenden Gedanken brachten intensiveren Schmerz, ein Stechen bis hinab in die Seele.
    Das Distributed Conscience wehrt sich, rief einer dieser Gedanken, während Vandenbrecht auf die vier Worte starrte, die ihm der Schirm noch immer zeigte. Und wir haben ihm gezeigt, wie es sich auf sehr wirkungsvolle Weise zur Wehr setzen kann.
    Irgendwann gelang es ihm, den Blick von den Worten abzuwenden, die der Cursor – die globale Maschinenintelligenz – geschrieben hatte, und er sah aus dem nahen Fenster. Dies war ein sonderbarer Moment der Stille: Die Schreie waren verklungen, das Stöhnen der Verletzten hatte noch nicht begonnen, und selbst das Flugzeug schwieg, während es mit abgeschalteten Triebwerken vom Himmel fiel. Vandenbrecht hörte nur ein von draußen kommendes leises Pfeifen, und das Fenster zeigte ihm Sterne am Firmament und Sterne tief unten auf der dunklen Erde: die Lichter von Städten in der Nacht. Dann begann die TA499 zu zittern, als fürchtete sie sich vor dem Aufschlag, und mit dem Zittern kam ein schnell lauter werdendes Klappern und Rasseln.
    Vandenbrecht saß da, klammerte sich noch immer am Schreibtisch fest, dachte an das Leben und den Tod und fragte sich, warum er nicht schrie, so wie die anderen geschrien hatten, als ihnen klar geworden war, was passierte.
    Ich bin nicht hier, dachte er, und vielleicht stimmte das, denn als er den Blick senkte, stellte er fest, dass seine Hände durchsichtig geworden waren.

Lassonde – Willkommen in der Realität I
    Lassonde
    Willkommen in der Realität I
    23
    B enedict zog Florence aus dem großen Portal, durch den Bogen aus Gold, der sich über einer Plattform aus schneeweißem Marmorwölbte. Er drückte ihre Hand. »Willkommen in Lassonde«, sagte er, und ein Lächeln erschien in seinem schmutzigen Gesicht. »Willkommen in der einzigen, wahren Realität!«
    Menschen eilten über

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