Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
und sie sich einzuprägen.
    »Wo kam es zu den Explosionen?«, fragte er schnell. »Und von welchem Ort hat sich Harland mit uns in Verbindung gesetzt?« Er beugte sich vor, ließ seine Finger über Tasten fliegen und rief Daten ab.
    »Die nuklearen Sprengsätze explodierten in der Nähe von Gangtok«, sagte Consuela und sah auf den Tablet in ihrer Hand. »Beide fast an der gleichen Stelle, nur einen Kilometer voneinander entfernt. Und Harland sitzt in einer Boeing, die vor einer halben Stunde von Nairobis Flughafen Jomo Kenyatta gestartet ist.«
    Also kein NEMP, dachte Vandenbrecht. Die Unterbrechung der Verbindung ging nicht auf einen nuklearen elektromagnetischen Impuls zurück. Zwei Atomexplosionen am selben Ort hatten keinen Sinn; alles deutete auf einen Fehler der bengalischen Rebellen hin. Oder sollte es auf einen Fehler hindeuten? Pläne innerhalb von Plänen, dachte Vandenbrecht und hatte erneut das Gefühl, dass es ein Gedanke war, der nicht von ihm selbst stammte. Daten scrollten über den Bildschirm, und er las sie so schnell wie möglich, verfluchte dabei den Umstand, dass er den Ampli im Schlafabteil zurückgelassen hatte.
    »Wer könnte ein Interesse daran haben, dass es zu einem Krieg zwischen China und Indien kommt?«, fragte er den Schirm und sich selbst, während weiterhin Tasten unter seinen Fingern klickten. »Die Bengalen wohl kaum. Die Taiwanischen Renegaten? O ja. China wäre von ihnen abgelenkt; das nähme einen ziemlich großen Druck von ihnen. Was ist mit den vier Kriegsschiffen der Renegaten, die sich Sea City nähern?«
    »Drei Schiffe haben abgedreht«, sagte Consuela hinter Vandenbrecht. »Das vierte setzt den Kurs fort.«
    »Ja, ja, ich sehe es hier. Offenbar ist es der in die taiwanischen Server eingeschleusten kombattanten KI gelungen, die Systeme von drei Schiffen zu übernehmen oder außer Gefecht zu setzen. Aber Nummer vier ist weiterhin unterwegs und …«
    Vandenbrecht unterbrach sich, als er plötzlich verstand . Auf einmal sah er alles glasklar, wie auf einer großen Karte angeordnet, die einzelnen Ereignisse und ihren Zeitrahmen. Alles hing zusammen, alles stand in Verbindung. Aber es waren keine Menschen, die die Zusammenhänge und Verbindungen schufen, obwohl sie direkt und unmittelbar daran beteiligt waren.
    »Consuela …«, ächzte Vandenbrecht und starrte auf den Schirm. Ein Datenfeld wies auf eine elektromagnetische Anomalie in Sikkim hin. »Ich fürchte, wir haben einen Riesenfehler gemacht.«
    Seine Sekretärin trat näher.
    »Wir haben der globalen Maschinenintelligenz beigebracht, wie man kämpft«, sagte Vandenbrecht.
    »Ich verstehe nicht ganz …«
    »Die kombattante KI, die wir in die taiwanischen Server geschmuggelt haben, um die vier Kriegsschiffe aufzuhalten … Das Distributed Conscience ist viel weiter verbreitet, als wir bisher dachten. Es nahm die kKI in sich auf und lernte davon. Sehen Sie hier.« Vandenbrecht deutete auf den Schirm. »Die indischen Geheimdienste haben vor einer Woche erfahren, dass die bengalischen Rebellen angereichertes Uran oder vielleicht sogar Plutonium nach Rangun schmuggeln wollen. Sie gingen von einem geplanten Terroranschlag mit einer schmutzigen Bombe aus. Aber die Rebellen haben sich irgendwo zwei voll funktionsfähige Atombomben beschafft, und vielleicht wollten sie damit die ostindischen Regierungszentren in Dhaka und Rangun vernichten, möglicherweise nicht nur mit Unterstützung des pakistanischen Untergrunds, sondern auch mithilfe der Taiwanischen Renegaten – denen hätte das gut in den Kram gepasst. Aber was befindet sich in Dhaka und Rangun sonst noch, abgesehen von Militärbasen und Verwaltungszentren des Indischen Großraums?«
    »Menschen?«, fragte Consuela.
    Menschen, dachte Vandenbrecht, den Blick noch immer auf die Daten gerichtet, die plötzlich eine klare, deutliche Botschaft vermittelten, in der Menschen kaum mehr eine Rolle spielten. »Der zentrale ostindische Backbone ist sowohl in Dhaka als auch in Rangun präsent. Die globale MI fürchtete eine Schwächung, vielleicht sogar ein ernstes Problem bei der Verwirklichung ihrer Pläne, und deshalb hat sie nicht zugelassen, dass die beiden Bomben ihre Zielgebiete erreichten. Sie hat sie gezündet, irgendwie. Diese elektromagnetische Anomalie hier könnte damit in Zusammenhang stehen. Sehen Sie? Verdächtiger Datenverkehr über den Satelliten India 17. Und hier die Datenpakete der Mobilfunkstationen in Gangtok. Wenn die Bengalen so dumm waren, ihre Bomben mit

Weitere Kostenlose Bücher