Seelenfänger
aber dann verschwand die Tür, und er fragte sich betroffen, ob er in eine weitere Falle getappt war – Salomo hatte ihnen den Rückweg abgeschnitten.
Die Kälte biss in seinen Körper. Zacharias trug nur dünne Kleidung, schlang die Arme um sich und rief: »Florence!«
»Hier!«, tönte es aus dem weißen Tosen. »Ich bin hier!« Und: »Da bist du endlich!«
Eine Silhouette zeichnete sich im wirbelnden Schnee ab und wankte ihm entgegen. Florence trug nicht mehr den Kampfanzug, sondern eine dicke Jacke, die Kapuze tief in die Stirn gezogen. Eigentlich sollte sie es darin recht warm haben, aber trotzdem klapperten ihre Zähne so laut, dass er es selbst im heulenden Wind hörte.
»Dort drüben steht eine Hütte, nur wenige Meter entfernt.«
»Hattest du Zeit, dich umzuziehen?«, brachte Zacharias hervor und merkte, wie die eigenen Zähne zu klappern begannen. Der Wind stahl ihm die Körperwärme, und die eisigen Schneeflocken schienen sich ihm wie Nadeln in die Haut zu bohren.
»Ich bin seit fast einem Tag hier!«, rief Florence im Heulen. »Hast du so lange mit dem Sprung durch den Übergang gewartet?«
»Nein!«
»Dann ist der Ereigniswinkel ziemlich groß. Komm!«
Etwas tauchte aus dem wogenden Weiß, eine dunkle Masse, die wie trotzig im heulenden Weiß aufragte. Zacharias’ Augen klammerten sich daran fest, denn es war etwas, das ihnen Halt bot im drohenden White-out.
Er stellte fest, dass Dinge im Schnee lagen: Kleidungsstücke, schon halb unter einer Eiskruste verborgen, aufrecht ins Weiß gesteckte Holzscheite und andere Objekte, die sich im Schnee nicht mehr identifizieren ließen, vermutlich Wegmarken, die Florence geholfen hatten, sich nicht im Schneetreiben zu verirren. Zacharias begriff plötzlich, warum ihr die Zähne klapperten: Sie musste stundenlang in der Nähe der weißen Tür darauf gewartet haben, dass er erschien. Wahrscheinlich hatte sie sich nur kurz umgezogen und es abgesehen davon nicht gewagt, die Nähe des Übergangs zu verlassen, aus Angst, dass er nach dem Transfer durchs wilde, allgegenwärtige Weiß wankte und für immer darin verschwand.
Die einfache Hütte empfing sie mit herrlicher Wärme. Im Kamin brannte lichterloh ein Feuer, und Zacharias trat ganz dicht heran und streckte die von der Kälte tauben Hände den Flammen entgegen. Hinter ihm verbarrikadierte Florence die Tür mit zwei dicken Riegeln und schob auch noch eine Couch mit fleckigen Polstern vor.
»Das ist nicht nötig«, sagte Zacharias. »Salomo will uns gar nicht hierher folgen. Er hat den Übergang neutralisiert; die Tür existiert nicht mehr.«
»Himmel, ist mir kalt!« Florence drängte so nahe zum Feuer, dass Zacharias sie besorgt zurückzog. Sie nutzte die gute Gelegenheit und schlang die Arme um ihn.
Fast eine halbe Minute lang hielt er sie fest, froh darüber, sie halten zu können, und zumindest ein Teil der Anspannung fiel von ihm ab. »Es geht mir besser als beim letzten Mal«, sagte er.
Florence wich ein wenig zurück. Ihre Zähne klapperten nicht mehr, als sie fragend zu ihm hochsah.
Er lächelte. »Ist schon eine Weile her. Ein anderer Ort, ein anderes Schneetreiben.«
»Lingbeek?«
»Ja. Wenn ich mich recht erinnere, mussten wir uns gegenseitig wärmen, um nicht zu erfrieren.«
Florence deutete aufs Bett neben dem Kamin. Es war nicht sehr breit, aber die dicken Decken und großen Kopfkissen wirkten einladend. »Brr, es ist ziemlich kalt. Ich glaube, wir müssen uns auch hier wärmen.«
Sie schlüpften ins Bett, unter die dicken Decken, und begannen damit, sich zu wärmen. Es dauerte nicht lange, bis sie es angenehm warm hatten.
Als Zacharias einige Stunden später erwachte, war es dunkel hinter dem einen Fenster der Hütte, und es heulte kein Wind mehr. Eine seltsame Stille herrschte, und einige Sekunden lang überlegte Zacharias, warum er dies so seltsam fand. Die Antwortet lautete: Weil sie sich ruhig und friedlich anfühlte, weil sie, trotz der Dunkelheit im Zimmer, nichts Düsteres enthielt. Er sah auf Florence hinab, deren Gesicht, nur etwas mehr als ein Schemen, so friedlich aussah, wie sich die Stille anfühlte, lauschte ihren gleichmäßigen Atemzügen und berührte ihr schwarzes Haar. Schließ lich wandte er sich ab, stand auf – ganz vorsichtig, um Florence nicht zu wecken – und legte einige Scheite ins sterbende Feuer. Kleine Flammen leckten nach ihnen, und es knisterte leise. Abgesehen davon blieb es still.
Zacharias stand da, nackt in einem kalten Zimmer, und fühlte
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