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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Antwort.
    »Nichts«, sagte er. Zacharias überlegte kurz. »Wir kennen den Namen des Patienten. Das von Teneker zurückgelassene Bild hat ihn genannt. Haruko. Gib mir mehr Informationen über ihn, Flo. Such in den Datenbanken. Sag Lily, dass sie in den Netzen suchen soll, nach einem Mann namens Haruko, in den Diensten der Entwicklungsabteilung von Samsung-Nippon. Vielleicht ergibt sich dabei etwas, das uns weiterhilft.«
    Das Leben eines Travellers stand auf dem Spiel, und dieser Haruko schien sehr, sehr wichtig zu sein. Trotzdem hatte sie Rasmussen – oder Thorpe; manchmal fragte sich Zacharias, ob inzwischen nicht der seltsame PI-Mann das Sa gen bei der Foundation hatte – ohne Vorbereitungen und vor allem ohne detaillierte Informationen in diesen Einsatz geschickt, was schon unter gewöhnlichen Umständen an Verantwortungslosigkeit grenzte. Warum die Geheimniskrämerei?
    Zacharias dachte noch darüber nach, als sich die Stimme des Instinkts meldete, und er hörte sofort auf sie, nahm Florences Hand und gesellte sich mit ihr dem Strom der Fußgänger hinzu. Nach einigen Schritten fragte er: »Was ist mit der Rückversicherung?«
    »Bereits erledigt«, sagte Florence. »Ein Erinnerungspunkt ist gesetzt. An der Wand, aus der wir gekommen sind. Ein garantierter Übergang, falls es keine anderen gibt.«
    In Zacharias wuchs das Gefühl, die Situation trotz allem unter Kontrolle zu haben. Wir sind wirklich das beste Team, dachte er. Die beste Therapeutin und Kognitorin, und der beste Traveller. Wer könnte es mit uns aufnehmen? Wir holen dich hier raus, Teneker, hörst du? Was auch immer dich festhält: Wir befreien dich, und anschließend kümmern wir uns um den Rest. Und wenn wir uns darum gekümmert haben, wenn alles erledigt ist …
    Er drehte den Kopf, sah Florence an und lächelte. Sie bemerkte es, während sie den Datenstimmen lauschte, die ihr aus dem Interface-Äquivalent zuflüsterten, und schüttelte missbilligend den Kopf. »Der Einsatz, Zach. Derzeit gibt es nur den Einsatz. Lass nicht deinen Körper für dich denken.«
    »Manchmal gefallen dir seine Gedanken.«
    »Nicht hier, nicht jetzt, Zach«, sagte sie streng. Ihre Stimme klang seltsam im Singsang der anderen Stimmen um sie herum. Etwas sanfter fügte sie hinzu: »Du bist gut, und in letzter Zeit bist du noch besser geworden. Aber manchmal stellst du dir selbst ein Bein. Vielleicht deshalb, weil du hier Beine hast. Du lässt dich immer wieder davon ablenken, dass dir hier im Space ein voll funktionsfähiger Körper zur Verfügung steht. So verständlich das auch ist: Diesmal können wir uns keine Fehler leisten, Zach. Tenekers Leben steht auf dem Spiel.«
    »Nachher?«
    »Nachher«, sagte Florence. »Wenn sich eine Gelegenheit ergibt. Wenn wir uns nicht um Teneker kümmern müssen.«
    Die Stimme der Vernunft, dachte Zacharias, während er, umringt von Japanern, einen Fuß vor den anderen setzte. Immer wieder zwang er Flo dazu, für ihn die Stimme der Vernunft zu sein, und jedes Mal nahm er sich vor, dass es zum letzten Mal geschah. Manchmal bin ich wie ein Kind, dachte er, verärgert über sich selbst. Obwohl ich … wie alt bin?
    Es fiel ihm nicht ein.
    Zacharias war so überrascht, dass er stehen blieb. Die anderen Fußgänger wichen ihm und Florence aus, ohne sie anzusehen, aber ein kleiner Hund mit glattem braunem Fell hob den Kopf und bellte. Eine dickliche, ältere Frau murmelte etwas, das Zacharias nicht verstand, und zog an der Leine, woraufhin der Hund hinter ihr hertrippelte, noch einmal zurücksah und quiekend bellte.
    Dreißig, dachte er. Ich bin vor einem Monat dreißig geworden.
    »Was ist?«, fragte Florence.
    Zacharias ging weiter. »Eben konnte ich mich nicht mehr an meinen Geburtstag erinnern. Ich hatte vergessen, wie alt ich bin.«
    Florence warf ihm einen Blick zu. »Dissoziative Gedächtnisstörung. Dazu kann es durch zu viel Tetranol über einen zu langen Zeitraum hinweg kommen. Ich schicke Lily einen Hinweis; vielleicht sollten wir deine Dosis reduzieren.« Sie rückte das Interface am Ohr zurecht. »Haruko Isamu Abe. So heißt unser Mann. Lily hat ihn gefunden.«
    »Was ist mit ihm?« Zacharias sah sich um. Etwas bewegte sich in der Nähe, und die Bewegung kam nicht von den Fußgängern auf dem Bürgersteig. Florence und er waren der Stein, der in den Teich von Harukos Selbst gefallen war, und die davon ausgehenden Wellen hatten sich konzentrisch in alle Richtungen ausgebreitet. Aber nun kam eine zurück, als wäre sie von

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