Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
schon zweimal erlebt.«
    »Es war nicht sehr angenehm.« Zacharias sah sich erneut um, doch in der Dunkelheit zwischen den Ruinen bewegte sich nichts, und die einzigen Geräusche stammten vom fal lenden Regen. Vor ihnen ragte die stilisierte Hand des Turms auf und streckte sich den finsteren Wolken entgegen.
    »Für mich könnte es schlimm werden«, sagte Florence »Ich könnte vollkommen die Orientierung verlieren und zurückfallen. Wir könnten voneinander getrennt werden.«
    »Nein«, sagte Zacharias sofort. »Das werde ich verhindern. Ich halte dich fest, hier bei mir.«
    Ein Lächeln erschien unter dem kapuzenartigen Planenzipfel. »Vielleicht wirkt die Überdosis doch noch.« Sie deu tete in die Runde. »Hast du eine Ahnung, wo wir sind, Zach?«
    »Mein Radar ist leer. Und ich spüre keine Übergänge in der Nähe.« Er deutete zum Turm. »Hast du dich dort umgesehen?«
    »Ich wollte dich nicht so lange allein lassen.«
    »Der Turm sieht einigermaßen unversehrt aus, und dafür dürfte es einen Grund geben. Vielleicht finden wir dort heraus, wo sich die nächsten Übergänge befinden.«
    Seite an Seite gingen sie durch den Schneeregen, vorbei an den Ruinen einer toten Stadt.

9
    V ielleicht stecken wir noch immer in einer Fraktur«, spekulierte Zacharias, als sie sich dem breiten Eingang des Turms näherten und den größten Pfützen vor der Treppe auswichen. Die gläsernen Türen waren intakt, nicht eine Scheibe zerbrochen.
    »Es ist seltsam«, sagte Florence nachdenklich.
    »Was ist seltsam?«
    »Dieser Salomo und seine Leute … Sie haben Teneker festgehalten; irgendwie gelang es ihnen, seine besonderen Fähigkeiten zu blockieren. Und sie wollten auch dich festhalten. Aber das ging schief.«
    »Weil ich stärker bin als Teneker?«
    »Dein Talent ist größer, ja. Aber du hast auch eine zusätzliche Dosis Tetranol bekommen.«
    Zacharias blieb auf der obersten Stufe stehen, direkt vor einem wie einladend geöffneten Türflügel. »Du vermutest einen Zusammenhang? Aber wie kann jemand in der Foundation gewusst haben, was geschah? Immerhin hattest du keinen Kontakt mehr mit Lily.«
    »Ich weiß es nicht. Aber die Überdosis hat dir jemand aus einem bestimmten Grund gegeben, und ohne sie hätten wir das alte Holzhaus auf dem Hügel nicht verlassen können.«
    »Ich habe das Signal der Rückversicherung angepeilt, aber etwas hat den Sprung gestört und mich in dunkles Nichts stürzen lassen.«
    »Wenn ich mit Lily verbunden gewesen wäre … Mit ihrer Hilfe hätte ich vielleicht biometrische Daten von Salomo gewinnen können. Er scheint ein großes Talent zu sein.«
    Ein noch größeres als du . Diese Worte sprach Florence nicht aus, aber Zacharias hörte sie trotzdem. »Als mich die Dunkelheit umfasste, hörte ich Salomos Stimme«, sagte er langsam. »Er nannte mir noch einen anderen Namen.«
    Florence wartete, doch plötzlich widerstrebte es Zacharias, den Namen auszusprechen, und sein Blick wanderte wieder über die dunkle Stadt, auf der Suche nach einem kleinen Mann mit einem Kopf, der für den dünnen Hals zu groß wirkte. Denk an mich, sprich meinen Namen. Ich werde dich finden .
    »Ja?«, fragte Florence schließlich.
    Sie standen noch immer vor den gläsernen Türen des Turms, der die Büros und Suiten der Foundation enthielt, und hinter dem Glas erstreckte sich eine leere, aufgeräumte Lobby. Auf der einen Seite leuchteten Bereitschaftsindikatoren über drei Expressaufzügen; die Stromversorgung im Gebäude funktionierte also, obwohl nirgends Licht brannte.
    Zacharias gab sich einen Ruck. »Er sagte mir, dass man ihn auch ›Seelenfänger‹ nennt. Weil er Seelen fängt, um sie zu befreien.«
    Er hatte die Worte kaum ausgesprochen, als er ein Flüstern aus der Stadt empfing, ein Raunen wie von auflebendem Wind. Und vielleicht war es wirklich nur der Wind, denn einige Schneeflocken und Regentropfen flogen ihm ins Gesicht, obwohl er zusammen mit Florence unter dem Vordach stand. »Und als ich im Unterstand erwacht bin, allein … Da habe ich erneut seine Stimme gehört, aber nur im Kopf. Er meinte, ich sollte an ihn denken oder seinen Namen nennen, damit er mich findet.«
    »Es kommt darauf an, wie gut sein Radar ist, und sein Ping.« Florence trat durch die Tür in die große Lobby des Turms. Zwar stand die Tür offen, aber drinnen war es wärmer, so warm, dass Zacharias’ Atem nicht mehr kondensierte.
    »Weißt du was, Flo …«, sagte er, als sie an einer großen, eleganten Sitzgruppe neben der

Weitere Kostenlose Bücher