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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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sich Land in Form von vagen Erhebungen am Horizont: die Hawaii-Inseln. Es dauert nicht mehr lange bis zum Rendezvous, erinnerte er sich. Bald würde die Aufgehende Sonne zu ihnen stoßen und einen ganz bestimmten Patienten bringen.
    Sein Blick kehrte zum Monitor zurück. »Auf keine nennenswerten«, sagte er und dachte daran, welche Last auf ihnen allen ruhte. In diesem Fall wog die Verantwortung besonders schwer.
    »Die Programme sind installiert?«, fragte der Mann. Er hieß Moses Vandenbrecht und war vom Verwaltungsrat des Philanthropischen Instituts zum Koordinator des Projekts Independence ernannt worden, bei dem es um mehr ging als nur um Unabhängigkeit. Er war um die siebzig, hatte ein zerfurchtes Gesicht und wässrige graue Augen. Auf ahnungslose Beobachter wirkte er oft müde, und hinter dieser vermeintlichen Altersmüdigkeit – die Vandenbrecht wie eine Maske trug, so wie Thorpe sein freundliches Lächeln – verbarg sich ein messerscharfer, immer hellwacher Verstand. Man munkelte, dass er eine spezielle Variante von Tetranol nahm, wie sie nur Genesis zur Verfügung stand, und vielleicht stimmte das. Wie sonst hielt er dem immensen Druck stand, dem er seit Jahren ausgesetzt war?
    »Ja«, bestätigte Thorpe. Die Verbindung war natürlich abgeschirmt und verschlüsselt, aber trotzdem regte sich Unbehagen in ihm. »Ich habe dem hiesigen Sysadmin glaubhaft versichern können, dass es sich um eine neue Firewall handelt.«
    »Wenn er seine Arbeit ernst nimmt, wird er die Programme prüfen.«
    »Natürlich. Und er wird feststellen, dass es sich tatsächlich um eine neue, sehr leistungsfähige Firewall handelt. Er wird die einzelnen Module nicht als interaktive Signalschranke erkennen können.«
    »Zumindest nicht sofort. Nun, damit ist das Maßnahmenpaket fast komplett.«
    »Wenn Sie mir eine Bemerkung gestatten, Moses …«
    »Natürlich, Thorpe«, sagte Vandenbrecht. Das Bild flackerte kurz, und Thorpe fragte sich, ob es sich um eine Störung beim Signaltransfer über drei Satelliten handelte.
    »Die Maßnahmen, die wir getroffen haben und noch treffen werden … Sie erscheinen mir alle sehr defensiv.«
    »Die Zeit der Siege ist vorbei, Thorpe«, sagte Vandenbrecht, und es klang fast traurig. »Es war ohnehin eine Zeit der falschen Siege. Die Situation, mit der wir es jetzt zu tun haben, ist das Ergebnis von jahrzehntelanger Arroganz und Ignoranz. Um es salopp auszudrücken: Die Karre ist an die Wand gefahren.«
    »Besteht wirklich keine Hoffnung mehr?«, fragte Thorpe, obwohl er wusste, dass er Teil einer Hoffnung war, die den Namen Genesis trug.
    »Oh, Hoffnung gibt es immer. Sonst würden wir nicht tun, was wir tun. Aber wir können verlorenes Terrain nicht zurückgewinnen, und das meine ich nicht nur wörtlich, sondern auch im übertragenen Sinn. Alles deutet darauf hin, dass die Flut nicht unser größter Feind ist.«
    Thorpe spürte, wie seine Anspannung wuchs. Seit einigen Wochen hatte er keinen Zugriff mehr auf die privilegierten Datenkanäle. Von den neuesten Entwicklungen wusste er nur wenig.
    »Gibt es neue Fälle?«
    Auf dem Bildschirm vor Thorpe blickte Vandenbrecht kurz zur Seite und nahm eine Mitteilung entgegen. »Drei«, sagte er. »Zwei in Europa und einen in Südamerika. Aber vielleicht hängen alle drei miteinander zusammen. Unsere Spezialisten halten ein ›distributed conscience‹ für möglich, ein verteiltes Bewusstsein, was bedeuten würde, dass unsere selektiven Signalsperren – die Bewusstseinsschranken – keinen oder einen nur begrenzten Sinn haben. Um auf Nummer sicher zu gehen, müssten wir alle Netze ab schalten, und das ist einfach unmöglich. Wir hängen viel zu sehr von ihnen ab; das ist ja gerade das Problem.« Vandenbrecht zögerte. »Ich bezweifle sogar, dass eine globale oder auch nur regionale Abschaltung noch im Bereich des technisch Machbaren liegt.«
    Vandenbrecht hob den Zettel, den er gerade bekommen hatte. »Auch die politische Situation spitzt sich zu.« Er schüttelte den Kopf. »Die Fähigkeit gewisser Politiker, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, erstaunt mich immer wieder. Sie sind wie der Kapitän eines voll besetzten Kreuzfahrtschiffes, das mit voller Kraft auf einen Eisberg zusteuert, von dem er einfach nicht glauben will, dass er existiert.« Moses Vandenbrecht erlaubte sich ein schiefes Lächeln. »Bei den Travellern mögen Glaube und Überzeugung eine besondere Rolle spielen, aber bei uns sieht die Sache anders aus; dies ist die

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