Seelenfänger
hinzu.
»Du kennst ja die Reisen der Traveller«, begann sie. »Wir haben die dabei gewonnenen Daten oft genug zusammen ausgewertet.«
Matthias saß da, sah sie an und wartete.
»Ich bin nicht die Florence, die ich zu sein scheine«, fuhr sie fort und erzählte ihre Geschichte, ohne zu versuchen, sich einfach auszudrücken, denn Matthias war zwar Autist, aber es mangelte ihm gewiss nicht an Intelligenz und Vorstellungskraft. Während sie von der anderen Foundation erzählte, von Teneker – nicht Taniker –, Haruko, Zacharias und Salomo, »Seelenfänger« genannt, beobachtete die Psychologin in ihr Matthias’ Gesicht und hielt nach Reaktionen Ausschau, bemerkte aber nur das gelegentliche Zucken eines Lids, mehr nicht. »Ich brauche deine Hilfe«, sagte sie, als sie ihre Situation geschildert hatte. »Du kannst die Interface-Systeme programmieren, und mit Lilys Hilfe hast du vermutlich auch Zugang zu den hiesigen Tetranol-Reserven.«
Matthias saß zurückgelehnt in seinem Sessel, die Brille auf dem Nasenrücken war ein wenig nach unten gerutscht, und musterte sie nachdenklich. »Ein Traum soll dich in einen Traum schicken?«
»Wir reden hier nicht von Träumen …«
Der Avatar auf dem großen Bildschirm bewegte sich. »Lily?«, fragte Matthias.
»Was ist Schein, was ist Sein?«, kam es aus dem Lautsprecher an der Decke.
Florence zwang sich zu Geduld. »Ich weiß nicht, wie groß der Ereigniswinkel ist, aber Zacharias braucht Hilfe. Ich muss so schnell wie möglich zurück.«
»Es ist ein bisschen schwer zu verdauen, findest du nicht?« Matthias deutete in die Runde. »Dies alles hier soll nicht die Realität sein, sondern sich im Space befinden? Im mentalen Universum der Traveller?«
»Ja.«
»Es würde bedeuten, dass ich nur eine … Fiktion bin, nicht wahr?«
Florence schwieg.
»Aber so fühle ich mich nicht«, stellte Matthias fest. Er hob eine Hand, schlug sich aufs Knie und an die Brust. »Ich bin aus Fleisch und Blut. Ich existiere.« Er sah zum Avatar auf dem großen Schirm. »Was meinst du, Lily?«
»Du existierst zweifellos, Matthias.«
»Das will ich meinen.« Er beugte sich vor. »Außerdem machst du einen Denkfehler, Florence. Eben hast du gesagt, dass du in Tanikers Space bist, beziehungsweise in Tenekers, wie er in … deiner Welt angeblich heißt. Aber das stimmt nicht. Du hast selbst gesagt, dass dich deine Reise zusammen mit Zacharias …« – Florence bemerkte, dass sich Matthias’ Stimme veränderte, als er den Namen sprach – »… ins Bewusstsein des Patienten gebracht hat, des Japaners namens Haruko …«
»Ja?«
»Aber wenn ihr in seinem Space seid … Haruko weiß nichts oder nur wenig von der Foundation. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiß er nicht genug, um sich dies alles vorzustellen, Lily und mich, unser Gespräch, den ganzen Rest. Und dann das Tetranol, das ich dir beschaffen soll. Wenn du recht hast, existiert es wie alles andere nur als Konzept. Wie soll es wirken? Wie soll es dir dabei helfen, zu Zacharias zurückzukehren?«
»Es kommt auf den Glauben an, Matthias«, sagte Florence. »Wenn ich mit allen meinen Sinnen davon überzeugt bin, dass das Tetra wirkt, dass es mich zurückbringen kann …«
» Und du hast gesagt, dass deine Tetranol-Phase zu Ende ging, wodurch es zu einer unkontrollierten Rückkehr kam. Zu einer Rückkehr hierher . Wie könntest du als Therapeutin noch im Space sein, ohne Tetra und ohne Interface-Verbindungen?«
Florence seufzte und zuckte die Schultern. »Um ganz ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Vielleicht hält der Seelenfänger einen Teil von mir fest.« Sie rieb sich die Schläfen – die Kopfschmerzen waren zurückgekehrt. Das Messer in ihrem Kopf schnitt wieder und zerlegte kohärente Gedanken in ihre Einzelteile. »Und ich habe keinen Denkfehler gemacht. Wenn Bewusstseinssphären miteinander verbunden sind, kommt es zu einem Phänomen, dass die Therapeuten meiner Foundation ›Konzeptualisierung‹ nennen.«
Matthias nickte. »Gegenseitige Beeinflussung. Austausch von Informationen, vor allem auf unterbewusster Ebene. In gewisser Weise verschmelzen die Geisteswelten miteinander. Habe ich das richtig formuliert, Lily?«
»Mit ausreichender Präzision, Matthias. Darf ich darauf hinweisen, dass sich Probleme ankündigen?«
»Probleme?« Matthias runzelte die Stirn.
Ein Donnern kam aus der Ferne, dumpf und grollend, und fast gleichzeitig fühlte Florence eine Vibration. Die Bilder einiger naher Schirme
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