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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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wollten wissen, was geschehen war und was passieren würde. Florence stellte erleichtert fest, dass man ihr und Matthias kaum Beachtung schenkte. »Deine Stimme hat sich verändert, als du seinen Namen ausgesprochen hast, und dann hast du traurig den Kopf geschüttelt. Was ist mit dem Zacharias dieser Foundation?« Diese Möglichkeit kam ihr erst jetzt richtig zu Bewusstsein, und sie hielt den Gedanken fest. »Ist er hier? Kann ich mit ihm reden?«
    »Er ist hier, ja, aber …«
    »Bring mich zu ihm!«
    Florence drehte sich um und wollte in die Richtung eilen, in der sie Zacharias’ Zimmer vermutete, aber Matthias hielt sie am Arm fest. »Nein, dort wohnt er nicht mehr. Nicht mehr seit …«
    »Seit was?«
    »Es geht ihm nicht gut …«
    Florence wusste, dass es ein anderer Zacharias war, aber dennoch spürte sie plötzlich eine sonderbare Leere in sich, wie ein Abgrund, der sich in ihrer Seele öffnete. »Ich will zu ihm!«
    Mit langen Schritten gingen sie durch einen anderen Flur, und Florence fragte sich plötzlich, was geschehen würde, wenn sie sich selbst begegnete. Zweifellos gab es hier eine Florence, denn Anderson und Agnes hatten sie erkannt. Wo war sie? Befand sie sich auf einer Reise in Tanikers Space? Hatten sich Arzt und Schwester deshalb nicht über ihre Rückkehr gewundert? Aber wenn die andere Florence auf Reisen war, so musste ihr Körper in einem dieser Zimmer sein. Und wieso hatten sich Anderson und Agnes nicht gewundert, als sie plötzlich aus dem Nichts erschienen war?
    Die Fragen – und der Umstand, dass sie nicht sofort Antworten fand – stifteten Verwirrung in Florence, rückten jedoch in den Hintergrund, als sie wenige Minuten später in einem Zimmer stand, das dem Raum mit Penelope ähnelte. Doch hier lag keine junge Frau im Bett, mit ausgebreiteten schwarzen Haaren und an Lebenserhaltungsmaschinen angeschlossen, sondern ein ausgezehrt wirkender, leichenhaft blasser Mann, der trotz seiner Jugend viele Falten im Gesicht trug. Florence ergriff seine kalte Hand.
    »Was ist mit ihm? Liegt es an seiner Krankheit? Ist sie hier so weit fortgeschritten?« Es schmerzte sie, Zacharias in diesem Zustand zu sehen, und auch deshalb wandte sie den Blick ab, blickte auf die Instrumente und versuch te festzustellen, wie es ihm ging. In einer Ecke des Zimmers bemerkte sie einen mobilen Interface-Anschluss, kein bequemer Sessel für Traveller oder Therapeuten, mit nach hinten geneigter Rückenlehne, sondern ein einfacher Stuhl.
    »Meinst du seine Muskeldystrophie? Er hätte bald einen Rollstuhl gebraucht, wenn seine Seele nicht vorher verloren gegangen wäre.«
    »Was?«
    »Das ist mit ihm passiert«, sagte Matthias. »Seine Seele ging verloren. Wie bei Penelope. Oder fast so. Penelope lebt selbst jetzt noch, nach Jahren, aber Zacharias wird sterben, wenn kein Wunder geschieht. Die Ärzte geben ihm nur noch ein paar Tage.«
    Florence starrte auf den bleichen Sterbenden hinab, dessen Hand sie noch immer hielt – die Kälte darin schien den Tod anzukündigen.
    »Wie …«
    »Es geschah bei einer Reise«, sagte Matthias. »Er kam einfach nicht zurück. Vorher erging es Stratford und Conrad wie ihm. Zacharias wollte ihnen helfen und begab sich auf die Suche, aber er scheint sich im Space verirrt zu haben. Oder etwas hielt ihn dort fest.«
    Oder etwas hielt ihn dort fest. Der Seelenfänger?, dachte Florence. Steckt er dahinter? Auch hier?
    »Du hast von Muskeldystrophie gesprochen …«, sagte sie leise, als wollte sie den Sterbenden nicht stören. »Der Zach, den ich kenne …«
    »Ja?«
    »Er litt an ALS, an Amyotropher Lateralsklerose.« Himmel, was sage ich da?, fuhr es ihr durch den Sinn. »Ich meine, daran leidet er.«
    Sie hob den Kopf, als laute Stimmen aus dem Flur kamen, und sie verstand die beiden Worte »Angreifer« und »Eindringling«. Ein Blick zum Fenster verriet ihr nichts – Jalousien und Vorhänge waren geschlossen –, aber sie bemerkte erneut das mobile Interface in der Ecke.
    »Wir machen es hier«, sagte sie plötzlich.
    »Was?«
    Die Idee war da, fertig, ohne wachsen zu müssen. »Hol mir Tetranol, Matthias. Ich gehe hier auf die Reise. Vielleicht hilft mir Zacharias’ Präsenz, den anderen Zach zu finden.«
    »Den … richtigen?«, erwiderte Matthias. Er stand an der Tür, die Hand am Knauf. Seine Stimme hatte seltsam geklungen.
    »Den anderen Zacharias«, betonte Florence. »Bring mir Tetra. Wir benutzen den hiesigen Anschluss und das Interface dort drüben. Musst du Lily

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