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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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solltest: Du bist hier nicht im Space, zumindest nicht in dem Space, der dir vertraut ist. Sieh dir deine Hand an, und meine Nase.«
    Zacharias blickte auf seine rechte Hand und spürte das Brennen unter dem Verband. Und Kronenbergs Nase blutete noch immer, obwohl ein Traveller normalerweise in der Lage gewesen wäre, sich zu heilen. Er ballte die rechte Hand zur Faust, und der Schmerz nahm zu, wie eben, als er Kronenberg geschlagen hatte.
    Salomo kam noch einen Schritt näher. »Sei vernünftig, Zach. Ich möchte nur, dass wir Freunde werden. Lass mich dir unser Utopia zeigen. Entscheide, wenn du alles gesehen hast.«
    Du kannst mich nicht unter deinen Willen zwingen, dachte Zacharias. Nicht wie Teneker und die anderen. Weil mein Talent größer ist. Weil ich mehr Kraft habe. Du weißt nicht, was mit Florence geschehen ist, und du kannst mir nicht deinen Willen aufzwingen.
    Aber er fühlte sich gut, und das machte den Beobachter in ihm misstrauisch. Er fühlte sich zu gut, wenn man die Umstände berücksichtigte, so gut, dass er erwog, auf Salomos Angebot einzugehen.
    Und das passte dem Beobachter ganz und gar nicht. Kronenberg hat recht, du bist wirklich ein Narr. Du hältst dich für stark, bist aber auf dem besten Weg, Salomo nachzugeben.
    Ich bin stark, dachte Zacharias. Ich bin das größte Talent der Foundation; es gibt keinen besseren Traveller als mich.
    »Ich habe es dir schon einmal gesagt, Salomo«, knurrte er. »Nenn mich nicht Zach.«
    Damit sprang er in die schwarze Tiefe.
    Zwei Überraschungen erwarteten ihn, und die zweite war:
    Unten saß Gott im Fahrstuhlschacht.

15
    D ie erste Überraschung bestand darin, dass er den Sturz in den dunklen Abgrund des Schachts nicht in ein langsames Schweben verwandeln konnte. Zacharias glaubte an seine Kraft. Er war so sehr davon überzeugt, der beste Traveller zu sein, dass ihn Florence mehrmals vor Hochmut gewarnt hatte, der Fehler herausforderte. Doch diesmal half der Glaube nicht; er überzeugte die Schwerkraft nicht, die ihn nach unten zog und immer schneller werden ließ. Der Glaube hatte nicht einmal den Kratzer in seiner rechten Hand davon abgehalten, sich zu entzünden.
    Luft zischte an ihm vorbei, und jeder verstreichende Moment brachte ihn dem Boden des Schachtes näher, der in der Finsternis verborgen blieb. In seiner Welt, die ihn in einem Rollstuhl gefangen hielt, wäre ein Sturz aus einer Höhe von mehr als zwanzig Stockwerken zweifellos tödlich, und Zacharias begann zu befürchten, dass das auch hier der Fall war, und dass er an seinem Überleben zu zweifeln begann, verstärkte die Furcht. Sein Instinkt schickte ein Ping in den Space-Äther, und gleichzeitig öffnete er sein Radar, auf der Suche nach einem RV-Signal, das nicht existierte. Es gab keine Rückversicherung; niemand hatte einen Rückkehrpunkt markiert.
    Aber es gab einen Übergang.
    Er befand sich noch immer im Erdgeschoss – das Ping schuf ein deutliches Echo auf dem Radar. Ein Übergang, wahrscheinlich geschaffen von Florence und den Travellern der Foundation, damit er sich dem Einfluss des Seelenfängers entziehen und zur Foundation zurückkehren konnte.
    Wo Lähmung und Rollstuhl auf ihn warteten.
    Der Gedanke wand sich wie ein Wurm durch sein Gehirn, noch während er fiel und daran dachte, dass er schon seit einer ganzen Weile fiel, zu viele Sekunden für die geschätzte Tiefe des Schachtes. Und das Zischen der Luft um ihn herum hatte aufgehört, war Stille gewichen.
    Zacharias wartete.
    Als einige weitere Sekunden verstrichen, ohne dass etwas geschah, triumphierte er. Es war ihm doch noch gelungen, diesem Space seinen Willen aufzuzwingen!
    »Ich fürchte, da irrst du dich«, kam eine Stimme aus dem Dunkeln. »Du bist nicht auf den Boden des Schachtes geprallt, weil ich es verhindert habe.«
    »Wer bist du?«, fragte Zacharias zögernd. »Ich sehe nichts.«
    »Oh, das Sehen, ja. Entschuldige. Das habe ich vergessen. Licht. Geschöpfe wie du brauchen Licht, um zu sehen.«
    Aus schwarzer Finsternis wurde vages Grau, und Zacharias sah den Boden des Schachtes nur einige Zentimeter unter sich: schmutziger Beton, voller Ölflecken, Staub und Unrat. Stahlschienen führten nach oben, und neben einer von ihnen saß ein alter Mann mit schulterlangem weißem Haar und einem langen weißen Bart, der ihm bis auf die Brust reichte. Selbst die Brauen waren weiß, wie von Rau reif bedeckt. Der Alte saß im Schneidersitz, hatte sein creme farbenes Gewand an den Knien gerafft.
    »Wer bist du?«,

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