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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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jetzt, was ich meine?« Der Alte seufzte erneut. »Die Menschen in den anderen Welten … Sie hörten mein Wissen, sie sahen mir in die Augen, und sie beobachteten, wie ich Wunder vollbrachte.«
    »Wunder?«
    »Manche nannten es so. Die Ungebildeten unter ihnen, um ganz ehrlich zu sein. Andere sprachen von ›unerklärlichen Manipulationen der Realität‹. Damit meinen sie, dass ich Einfluss auf Gestalt und Struktur der Welt und der Welten nehmen kann, manchmal mehr und manchmal weniger. Derzeit eher weniger, aber ich habe dich vor dem Aufprall bewahrt.«
    »Ich nehme an, du sprichst vom Space«, sagte Zacharias, davon überzeugt, dass er es mit einem Traveller zu tun hatte, vielleicht mit einem, der sein Gedächtnis verloren hatte, oder den Verstand.
    »Mein lieber Zacharias …« Der Alte wandte sich ihm zu, und seine Augen schienen sich zu öffnen wie tiefe Brunnen, die ihn ansaugten. »Du hältst dich für den Besten, und manchmal auch für den Klügsten, insbesondere wenn du zu viel Tetranol genommen hast, aber offenbar hast du noch immer nicht begriffen. Sieh dir deine Hand an, die deinem Willen nicht gehorcht und viel langsamer heilt als sonst. Denk an den Sturz, den du nicht abbremsen konntest. Dies ist kein gewöhnlicher Space. Dies ist mehr als ein … Traum innerhalb eines Traums.«
    »Edgar Allan Poe«, sagte Zacharias.
    »Was ist Schein, was ist Sein?«, sinnierte der Alte, der sich für Gott hielt oder von einigen Menschen dafür gehalten wurde. »Wo hört der Traum auf, und wo fängt die Realität an? Hast du dich das jemals gefragt, Zacharias? Hast du jemals den ›Space‹, wie du ihn nennst, mit der Wirklichkeit verwechselt?«
    »Nein«, sagte Zacharias sofort. Selbst damals, als er im Bewusstsein seines größeren Bruders Alexander gewesen war, hatte er alles für einen Traum gehalten, auch den Blick in den Spiegel. »Ich habe den Unterschied nie aus den Augen verloren. Deshalb bin ich ein so guter Traveller geworden.«
    »Wenn du den Space nicht mit der Wirklichkeit verwechselst …«, sagte der Alte langsam. »Vielleicht verwechselst du die Wirklichkeit mit dem Space?«
    »Rhetorik«, brummte Zacharias, der die Geduld zu verlieren begann. Erneut pingte er nach dem Übergang, doch er war noch nicht zurückgekehrt. Dafür erschien etwas anderes auf seinem Radar, vage und schwach, wie undeutliche Umrisse, durch Nebel betrachtet: Salomo und seine Leute näherten sich. Aber sie waren langsam, viel lang samer, als sie eigentlich sein sollten. Sie schienen über die Treppen zu kriechen . »Willst du mich mit leeren Worten beeindrucken?«
    »Die Worte sind nicht leer, Zacharias«, sagte der Alte, und jetzt klang seine Stimme anders. »Das, was ihr Traveller ›Space‹ nennt, ist in der Regel auf ein Bewusstsein beschränkt, auf die, meistens unbewussten, Erinnerungen, Träume und Gefühle eines Menschen. Es sind oft bizarre Szenarien, die ihr in solchen Welten vorfindet, und ihr habt gelernt, euch mithilfe von Tetranol und Kognitoren zu orientieren. Dabei wisst ihr die ganze Zeit, dass das, was ihr seht und erlebt, nur eine subjektive Realität darstellt. Ihr wahrt einen gewissen inneren Abstand und damit Kontrolle. Aber dies hier …« Er vollführte eine Geste, die nicht nur dem Fahrstuhlschacht galt, sondern weit darüber hinausging. »Dies hier ist etwas anderes. Ich sage es noch einmal: Denk an deinen Sturz, den du nicht kontrollieren konntest, und an die Hand, die sich deinem Willen widersetzt und nicht heilt.«
    Zacharias hatte sich bei den ersten Worten langsam umgedreht und musterte den Alten, der sich für einen vergesslichen Gott hielt, mit neuem Interesse. »Worauf willst du hinaus?«
    »Setz dich, mein Junge, setz dich. Ich kriege einen steifen Hals, wenn ich die ganze Zeit zu dir hochsehen muss.«
    Zacharias setzte sich wieder.
    Der Alte überlegte kurz. »Stell dir Welten wie Perlen vor, an Schnüren aufgereiht und nicht nur dort miteinander verbunden, wo sie sich berühren, sondern auch durch Brücken, von Gedanken erbaut. Stell dir Dutzende solcher Schnüre vor, jede von ihnen mit Hunderten von Welten, hier und dort miteinander verknotet und verheddert, wie ein großes Knäuel. Das sind die Welten, die ich meine, und jede von ihnen ist realer als ein Traum, glaub mir – der entzündete Kratzer auf der rechten Hand sollte dir als Beweis genügen. Manche von ihnen sind eher durch Zufall entstanden, ungeplant; zumindest Teile von ihnen sind aus dem Nährboden von Wünschen und Hoffnungen

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