Seelenfänger
riskieren, den Aufenthaltsraum zu verlassen und sich auf die Suche nach dem Übergang zu machen?
Es musste ein instabiler Übergang sein, denn zuvor, beim Weg durch die Ruinenstadt und auch im Erdgeschoss des Turms, war er nicht auf seinem Radar erschienen, was auf eine Fluktuation hindeutete: Mal existierte der Übergang, mal nicht, und wenn er erschien, so vermutlich nicht immer am selben Ort. Hatte Florences Initiative ihn geschaffen?
Jähe Hoffnung entstand in Zacharias, während er die Tür im Auge behielt. War Flo deshalb nicht zurückgekehrt? Bisher war er davon ausgegangen, dass sie seine Warnung – »Schick keine anderen von uns!« – nicht mehr gehört hatte, aber vielleicht irrte er sich. Vielleicht war sie in der Foundation geblieben, um mit Helen, Duke und den anderen eine Verbindung zu schaffen, und einen Übergang, der ihm die Rückkehr erlaubte.
Zacharias richtete sich auf und schlich auf leisen Sohlen zur Tür, wobei er der Projektion des Beamers auswich, der den Nachspann des Films zeigte. Als er den dunklen Flur erreichte, hörte die Musik auf, und plötzlich war es so still, dass er verharrte und die Luft anhielt, um sich nicht mit seinen Atemgeräuschen zu verraten. Dunkel erstreckte sich der Korridor nach rechts und links, die Schatten in ihm undurchdringlich dicht für Zacharias’ Blicke. Irgendwo in der Finsternis knarrte es leise, vielleicht von einer Tür, die jemand ganz langsam öffnete.
Während er horchte, rief er sich noch einmal das fremde Ping ins Gedächtnis zurück und versuchte festzustellen, aus welcher Richtung das Prickeln der Übergangspräsenz gekommen war, wo sich der Übergang befunden hatte. Nach links, entschied er, vertraute sich dem Flur an und eilte so leise und so schnell wie möglich durchs Dunkel. Er befahl seinen Augen zu sehen, wie während anderer Reisen, aber die Schatten wichen nicht zurück, gaben nichts preis, nur die Konturen von Türen, an denen er vorbeikam. Zacharias zählte seine Schritte, und als er bei zwanzig angelangt war, stieß er gegen ein Hindernis, das vor ihm nachgab und kippte. Er beugte sich rasch vor und hielt die große Vase fest, gegen die er gestoßen war, bevor sie ganz umfallen konnte. Zwanzig Schritte, dachte er, ungefähr sechzehn Meter, mehr oder weniger. Wenn der Übergang noch existierte, hatte er die Distanz zu ihm vielleicht schon auf die Hälfte verkürzt. Aber wo genau befand er sich? Um das festzustellen, brauchte Zacharias sein Radar, und wenn er Gebrauch davon machte, riskierte er, von Salomo entdeckt zu werden.
Er vergewisserte sich, dass die Vase sicher an der Wand stand, ließ sie los, trat einen Schritt zur Seite, zog dabei ein Fenster seines Geistes vorsichtig auf … Er dachte daran, dass Florence ihm beigebracht hatte, wie man das machte, obwohl sie keine Travellerin war. Mit ihrem Einfühlungsvermögen, ihrer besonderen Empathie, hatte sie ihm einen Eindruck davon vermittelt, worauf es ankam.
Das synästhetische Prickeln wiederholte sich, nicht unter dem linken Ohr, vom Interface des Rollstuhls übertragen, sondern weiter hinten, am Hinterkopf. Und es war schwächer als vorher, was Zacharias’ Theorie von einem instabilen, fluktuierenden Übergang bestätigte. Er schätzte Entfernung und Richtung ab, gelangte dabei zu dem Schluss, dass der Übergang sich irgendwo im Erdgeschoss befand.
Hinter ihm klickte ein Schalter, Licht vertrieb die Dunkelheit aus dem Flur, und jemand sagte laut und deutlich: »Ping.«
Zacharias wirbelte herum, aber es war nicht der Seelenfänger Salomo, der dort stand, sondern ein Mann ebenso groß wie er, mit weißblondem Haar, eisblauen Augen und einer blutigen, schiefen Nase.
»Ich glaube, wir beide haben noch eine Rechnung offen«, sagte Kronenberg und schlug zu.
Zacharias neigte den Kopf zur Seite, aber nicht schnell genug – die Faust traf seine Schläfe, heftig genug, um ihn taumeln zu lassen. Er stieß erneut gegen die Vase, und diesmal fiel sie um und stürzte mit einem dumpfen Pochen auf den Teppichboden. Kunststoffblumen rutschten aus ihr her vor, und mit seltsamer Klarheit beobachtete Zacharias zwischen ihnen eine kleine Spinne, die gerade ein Netz gesponnen hatte und sich nun um ihre Mühen betrogen sah. Die Wand im Rücken schüttelte er seine Benommenheit ab und brummte: »Genügt es dir nicht, dass ich dir einmal die Nase blutig geschlagen habe?«
Er stieß sich ab und war mit einem Satz bei Kronenberg, der erneut zuschlug. Aber diesmal duckte sich Zacharias unter
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