Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
gewachsen. Aber hinter anderen steckt Absicht, die Hand – besser gesagt, der Gedanke – eines Visionärs, wenn du mir diesen Ausdruck gestattest. Denn dass er Visionen hat, daran dürfte wohl kaum ein Zweifel bestehen. Ob sie uns gefallen, das ist eine andere Sache.« Die Falten in der Stirn des Alten wurden tiefer und länger. »In diesem Zusammenhang gab es noch etwas anderes, etwas Wichtiges, aber leider, leider gehört es zu den Dingen, die ich vergessen habe.«
    »Der Visionär …«, sagte Zacharias und spürte das Brennen der Entzündung unter dem Verband plötzlich mit besonderer Deutlichkeit. »Ich nehme an, du meinst Salomo.«
    »Den man in einigen der Welten ›Seelenfänger‹ nennt, ja«, erwiderte der Alte und strich sich mit der Hand über den langen weißen Bart. »Er hat die Kontrolle über einige der Welten an sich gerissen, mithilfe der Traveller, denen er angeblich Freiheit bringt. Er ist auf der Suche nach weiteren Helfern – oder sollte ich besser sagen: Werkzeugen? –, um seine Herrschaft auszuweiten. Leute wie Kronenberg bewegen sich in seinem Kielwasser, Menschen voller düsterer Gedanken und finsterer Gefühle, Menschen mit Seelen schwarz wie die Nacht. Ich fürchte, ich fürchte …«
    »Ja?«, fragte Zacharias.
    »Ich fürchte, ich bin ebenfalls gezwungen, ihm zu helfen. Hm, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Zu viele Dinge habe ich vergessen. Oder vielleicht habe ich sie nicht vergessen; vielleicht hat sie mir jemand genommen.«
    »Aber was die Welten angeht, die ein Knäuel bildeten, bist du dir sicher?« Zacharias hörte den Spott in seinen Worten.
    »Mach dich nicht über mich lustig«, sagte der Alte mit plötzlicher Schärfe. »Wie willst du ohne mich einen siche ren Ort finden? Oder den sicheren Ort? O ja, sieh mich nicht so erstaunt an, es gibt einen, oder es soll einen geben, am Rand der Welten …«
    »Am Rand des Knäuels?«, fragte Zacharias vorsichtig.
    »Wenn du so willst, ja. Ein sicherer Ort, den Salomo noch nicht gefunden hat und zu dem einige von euch Travellern geflohen sind – ich schätze, sie haben ihn nur durch Zufall entdeckt.«
    Der Alte unterbrach sich und schien zu lauschen. Zacharias horchte ebenfalls, aber es blieb alles still, und ein Ping zeigte ihm, dass Salomo und seine Leute erst zwei Stock werke zurückgelegt hatten. Sie waren noch immer sehr lang sam, und offenbar näherten sie sich wieder dem Schacht. Der Übergang war noch nicht zurückgekehrt.
    »Ich will nur zurück«, sagte Zacharias. »Zurück zur Foun dation. Zu Florence. Anschließend schmieden wir einen Plan, um Teneker und den anderen zu helfen.«
    »Und woher willst du wissen, dass deine Foundation die richtige ist, mein Junge?« Die Stimme des Alten bekam einen neuen Klang, den von Ungeduld. Plötzlich beugte er sich vor. »Hör mir zu, Junge. Es ist kein Zufall, dass wir uns hier getroffen haben. Ich meine, eine Begegnung am Boden eines dunklen Fahrstuhlschachts kann wohl kaum ein Zufall sein, oder?«
    »Aber ganz sicher bist du dir nicht?«, fragte Zacharias.
    »Natürlich bin ich mir sicher«, erwiderte der Alte ungehalten. »Ich habe viele Dinge vergessen, aber ich weiß, wer ich bin …«
    »Gott«, sagte Zacharias. Etwas knarrte weiter oben im Schacht, ein Ächzen von Metall.
    »Was ist die Definition von Gott?«
    »Allmacht?«
    »Oh, ich glaube, in einigen der Welten bin ich allmächtig gewesen …«
    »Du glaubst es.« Zacharias hatte genug von einem Gespräch, das er für sinnlos hielt. Er sah nach oben und verfluchte die Dunkelheit, die kaum etwas preisgab, aber nach einigen Sekunden glaubte er zu erkennen, wie sich in der Finsternis ein Schatten bewegte.
    Der Alte erhob sich ebenfalls und strich sein Gewand glatt. »Salomo, Kronenberg und die anderen haben es geschafft, den Aufzug in Bewegung zu setzen. Das ist wirklich erstaunlich. Ich dachte, mein Einfluss würde uns etwas mehr Zeit verschaffen.« Er ergriff Zacharias am Arm. »Es ist wichtig, dass du verstehst, Junge. Diese Welten, von denen ich dir erzählt habe … Sie existieren, und dies ist eine von ihnen. Salomo baut sie, und lässt sie bauen. Wenn er von Freiheit spricht, meint er vor allem die eigene. Sei vorsichtig; sein Einfluss ist groß und wird größer. Vielleicht sammelt er eines Tages genug Macht, um auch dich unter seinen Willen zu zwingen. Noch ist es nicht so weit, aber …«
    »Wie meinst du das?«
    Der Alte schien ihn gar nicht zu hören. Er hatte auf dem Boden des Fahrstuhlschachtes mit einer

Weitere Kostenlose Bücher