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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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fragte Zacharias erneut.
    »Kannst du noch immer nicht sehen? Genügt das Licht nicht?«
    »Doch, es reicht aus, aber …«
    »Ich bin Gott«, sagte Gott. »Sehe ich nicht aus wie Gott?«
    »Ja, aber …« Zacharias betastete den Boden mit der rechten Hand. Er fühlte sich fest an. Fest genug, um jemanden zu zerschmettern, der aus einer Höhe von mehr als zwanzig Stockwerken herabgestürzt war. Vorsichtig zog er die Beine an, wodurch die Knie den Beton streiften. Mit ein wenig Mühe drehte er sich, und als er sich in eine sitzende Person gebracht hatte, sank er die letzten Zentimeter und saß wie der alte Mann mit dem weißen Haar und dem weißen Bart auf dem Boden des Fahrstuhlschachtes. Weit oben kam Licht aus einer geöffneten Tür, und dort zeigten sich mehrere Köpfe, die nach unten sahen. Aber sie blieben stumm und bewegten sich nicht.
    »Du kannst nicht Gott sein, denn es gibt keinen Gott«, sagte Zacharias.
    »Und wer hat dich dann gerettet?«
    »Ich selbst. Mit der Kraft meines Willens.« Zacharias stand auf. »Tut mir leid, ich muss gehen.«
    »Wohin willst du?« Gott sah zu ihm hoch.
    Zacharias wandte sich von ihm ab und suchte nach einer Möglichkeit, den Schacht zu verlassen und das Erdgeschoss zu erreichen. Einige Meter weiter oben sah er die beiden Hälften einer geschlossenen Tür, aber als er versuchte, an einer der vertikalen Schienen hochzuklettern, rutschte er immer wieder ab.
    »Wenn es wirklich deine Willenskraft war, die den Sturz dicht vor dem Boden beendete, so sollte es dir nicht weiter schwerfallen, die Tür dort zu erreichen, oder?«, sagte Gott. »Es sind nur ein paar Meter. Schweb einfach hinauf. Oder lass dir Flügel wachsen, wie du es schon einmal getan hast.«
    Zacharias streckte der Tür die Hand entgegen, blieb jedoch auf dem Boden stehen. Er wurde nicht einmal leichter, so sehr er sich auch anstrengte; die Kraft seines Willens nahm ihm nicht ein einziges Gramm. Schließlich drehte er sich um.
    »Du weißt davon?«, fragte er.
    »Von den Flügeln? Oh, ja. Das gehört zu den wenigen Dingen, an die ich mich klar erinnere. Viele andere habe ich vergessen.« Der Mann mit dem weißen Haar klopfte auf den Boden. »Komm, setz dich zu mir. Lass uns miteinander reden. Wir haben ein wenig Zeit.«
    »Nein, haben wir nicht. Ich …«
    »Du willst zum Übergang, ich weiß. Aber er ist wieder verschwunden. Scheint sehr eigenwillig zu sein.«
    Zacharias pingte nach der Verbindungsstelle, empfing mit seinem Radar aber kein Echo. Erstaunlicherweise fühlte er auch keinen Hinweis auf Salomo und seine Traveller. Der innere Radarschirm blieb leer, und ein Blick nach oben zeigte ihm, dass die Köpfe aus der Tür verschwunden waren.
    »Sie sind hierher unterwegs«, sagte der weiße Mann. »Aber sie brauchen eine Weile. Wir haben Zeit. Komm.«
    Zacharias folgte der Aufforderung widerstrebend. Es war kalt in dem Fahrstuhlschacht, aber als er neben dem Alten mit dem weißen Haar und dem weißen Bart saß, spürte er angenehme Wärme, die nicht nur seinen Körper berührte, sondern auch seinen Geist.
    »So ist es richtig«, sagte der Mann. »Entspann dich. Derzeit gibt es nichts zu befürchten. Ich warne dich, wenn sich das ändert.« Er deutete auf Zacharias’ rechte Hand. »Tut es noch immer weh?«
    »Was?« Mit einer Mischung aus Benommenheit und Verwirrung sah Zacharias auf den schmutzigen Verband hinab. »Nein.«
    »Ich habe mich immer gefragt, wie sich Schmerz anfühlt. Ich meine, ich weiß natürlich, was es damit auf sich hat – das habe ich nicht vergessen –, und ich verstehe auch seine Funktion. Aber ich habe ihn nicht selbst gefühlt.«
    Zacharias starrte den Alten an. »Du scheinst alt zu sein und willst nie Schmerz gefühlt haben?«
    Der Mann hob und senkte die Schultern; sein cremefarbenes Gewand raschelte leise. »Ich weiß nicht einmal genau, wie alt ich bin. Das gehört zu den Dingen, die ich vergessen habe.«
    Zacharias räusperte sich. »Du hast viel vergessen, behauptest aber, Gott zu sein?«
    Der Alte zuckte erneut die Schultern. »Manche Menschen haben mich so genannt. In den anderen Welten. Als sie mich sprechen hörten, damals – wenn es wirklich ›damals‹ war und nicht erst gestern – als ich noch alles wusste. Und als sie mir in die Augen sahen. Sieh mir in die Augen, Zacharias.«
    Zacharias sah ihm in die Augen und hatte plötzlich erneut das Gefühl zu fallen. Eine faltige Hand hielt ihn an der Schulter fest und verhinderte, dass er zur Seite kippte.
    »Verstehst du

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