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Seelenfänger

Seelenfänger

Titel: Seelenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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unruhigen Wanderung begonnen: fünf Schritte in die eine Richtung, dann fünf in die andere. Und er ging immer schneller, wie auf der Flucht vor etwas. »Noch ist es nicht so weit, aber wenn er mächtig genug geworden ist, wird er auch dich übernehmen, wie Teneker und all die anderen.« Er blieb kurz stehen, legte den Zeigefinger ans Kinn und erweckte den Eindruck, als sei ihm gerade etwas eingefallen. »Es steckt ein großer Plan darin, und vielleicht gibt es noch andere Plä ne. Träume innerhalb von Träumen, erinnerst du dich, Zacharias? Pläne innerhalb von Plänen … Es ist alles sehr kompliziert und gleichzeitig schrecklich einfach. Ich weiß, dass ich darüber Bescheid gewusst habe, über fast alle Einzelheiten, soweit man sie kennen kann. Leider habe ich sie vergessen, wie alles andere, oder fast alles andere, aber vielleicht fallen sie mir bald wieder ein.« Er bemerkte Zacharias’ Blick. »Ja?«
    »Ein vergesslicher, faselnder Gott.« Zacharias deutete nach oben. Die Aufzugkabine bewegte sich langsam, knarrte und knirschte an den Schienen. Wie in Zeitlupe sank sie dem Ende des Schachtes entgegen. »Was passiert, wenn uns die Kabine hier unten erreicht und nicht anhält?«
    »Da fragst du noch? Sie wird uns zerquetschen. Das heißt, sie wird dich zerquetschen. Mir kann sie nichts anhaben. Ich verlasse diesen Ort einfach.«
    »Nimm mich mit«, sagte Zacharias.
    Der Alte schüttelte den Kopf. »Das geht nicht. Ich kann nicht. Nicht in meinem gegenwärtigen Zustand. Noch etwas, bevor ich mich auf den Weg mache … Ich habe dir schon gesagt, dass unsere Begegnung hier kein Zufall sein kann. Ich bin hierhergekommen, um dich zu treffen, um mit dir zu reden. Warum?« Er atmete tief durch. »Vielleicht um dir zu sagen, dass du dich an Erasmus wenden solltest.«
    »Wer ist Erasmus?«
    »Jemand, der vielen Travellern geholfen hat. Er weiß, wo sich der sichere Ort befindet, von dem ich eben gesprochen habe. Er kann dir helfen, und du solltest ihm helfen. Bevor es zu spät ist. Bevor Salomo zu mächtig wird. Hilf ihm, die anderen zu befreien, die er unter seine Kontrolle gebracht hat. Die Traveller wie Teneker, die für ihn Welten bauen.« Der Alte nickte. »Ja, ich glaube, deshalb wollte ich hier mit dir reden. Um dir diese Aufgabe zu geben. Um dich auf Erasmus hinzuweisen und dich mit einer Mission zu beauftragen.« Er sah Zacharias an und lächelte. »Mit einer göttlichen Mission.«
    Etwas erschien auf Zacharias’ Radar, und ein kurzes Ping bestätigte seine Vermutung: Der Übergang war zurückgekehrt. Wie lange blieb er diesmal stabil?
    Die Kabine des Aufzugs erreichte den zweiten Stock und sank weiter. Sie schien etwas schneller geworden zu sein.
    Der Alte winkte. »Leb wohl, mein Junge. Ich bin sicher, wir sehen uns wieder.«
    Er wurde transparent.
    Zacharias blinzelte. »Halt, warte!«
    Die Gestalt im cremefarbenen Gewand stand wieder vor ihm, fest und lebendig. »Ja?«
    »Du bist kein Traveller, oder?«
    »Ich glaube, das habe ich durchblicken lassen. Bist ein bisschen schwer von Begriff, wie?«
    Zacharias dachte an die schmerzhafte Entzündung auf seiner rechten Hand und die schwere Kabine, die keine Anstalten machte anzuhalten. Es würde wehtun, wenn sie ihn zerquetschte, und vielleicht bestand sogar die Gefahr, dass er starb. Bestenfalls würde er mit einem schweren Schock in der Foundation erwachen, so sehr traumatisiert, dass er eine wochen- oder gar monatelange Therapie brauchte. Oder seine Seele verlor sich im Irgendwo, wie die von Penelope. Oder, und das war die schlimmste aller schlimmsten Möglichkeiten, ihn erwartete tatsächlich der wahre, echte Tod, von dem es keine Rückkehr gab. Salomo hatte durch nichts zu erkennen gegeben, ihn töten zu wollen – bei Kronenberg mochte die Sache inzwischen anders aussehen –, aber vielleicht befand er sich gar nicht in der Kabine, wie Zacharias bisher angenommen hatte. Vielleicht kam sie von ganz allein herab. Oder Kronenberg hatte, von Salomo unbemerkt, den Knopf gedrückt.
    Eine besondere Art Benommenheit fiel von Zacharias ab. Etwas, das seine Gedanken gelähmt hatte – eine Mischung aus Faszination und Verwirrung, bewirkt von der Präsenz des Fremden –, löste sich auf, und mit schrecklicher Klarheit begriff er, dass ihm nur noch wenige Sekunden blieben. »Hilf mir zur Tür hoch!«
    »Wie denn, mein Junge? Glaubst du, ich könnte dich packen und einfach so hochwerfen? Außerdem ist die Tür geschlossen.«
    »Vielleicht gelingt es mir, sie zu

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