Seelenfeuer
noch verkaufen und ein paar Ziegen sind uns geblieben, aber der Rest …« Die Hände des jungen Mannes vollführten eine vernichtende Geste, ehe er langsam weitersprach. »Kaplan Grumper ist zu uns hinausgekommen, um uns zu erklären, wie die Wettermacherin den Hagel mithilfe des Teufels auf der Kuppelaue und an der Schussen herbeigerufen hat. Angeblich hat sie verfaulten Salbei in den Fluss geworfen und ein paar Kinder getötet, deren Blut sie erst getrunken und dann das Fleisch gesotten hat«, berichtete der Mann und zog seine blaue Kappe vom Kopf, um sich zu kratzen. »Dieses Weib hat uns alles genommen!«
Luzia erschrak zu Tode, die Furcht fuhr ihr wie ein glühender Dolch in die Eingeweide. Sie zog ihr Tuch vor der Brust zusammen.
Basilius und Johannes nickten nachdenklich, sie hatten genug gehört. Basilius drückte dem dürren Kerl ein paar Münzen in die Hand.
»Hab Dank für deine Auskunft, und Gott schütze dich.«
Der Bursche starrte auf die Münzen.
»Gott schütze Euch!«, rief er ihnen nach, ehe er seine Arbeit wieder aufnahm.
Als sie weiterfuhren, sprach eine Weile lang niemand ein Wort. Der Weg führte sie an drei nebeneinanderstehenden Bäumen vorbei, der Blitz hatte sie gespalten und sein schauriges
Werk zurückgelassen. Die verkohlten Hälften wirkten so beklemmend, dass Luzia eine Gänsehaut wuchs.
Irgendwann brach Johannes dann doch das Schweigen.
»Vielleicht solltest du darüber nachdenken, Ravensburg für längere Zeit fernzubleiben. Dieser Grumper ist in der Tat unberechenbar«, sagte er, an Luzia gewandt, doch sie blieb ihm die Antwort schuldig.
Langsam ließen die Verheerungen nach und das Gras wirkte nicht mehr wie von der Erde verschluckt. Hier und da erkannten sie sogar ein Kornfeld. Selbst der Regen ließ mehr und mehr nach, und der Himmel klarte auf. Mit den tiefhängenden Wolken wich auch ein wenig von dem beklemmenden Gefühl, das seit dem Gespräch mit den Bauern ihre Stimmung beherrscht hatte. Auf einer kleinen Anhöhe zwischen Markdorf und Bermatingen entschied Johannes, dass es nun Zeit für eine Pause wäre. Er lenkte den Wagen vom Feldweg und half Luzia beim Absteigen.
Gemeinsam tranken sie den Wein, den Luzia eingepackt hatte, und aßen ein wenig Brot und Käse. Wann immer sie Johannes’ liebevollen Blick auf sich spürte, sah Luzia rasch zu Boden. Die Zweifel hatten sie wieder fest im Griff. War es überhaupt recht gewesen, die Reise in Johannes’ Begleitung zu unternehmen? Was sollte sie zur Antwort geben, wenn Jakob sie auf ihr Verhältnis zu Johannes ansprach? Wenn ich doch nur wüsste, woran ich mit ihm bin, … und seit dem Kuss blickt er mir noch tiefer in die Augen, dachte Luzia mit einem leisen Seufzen.
»Lasst uns aufbrechen, ich möchte Seefelden heute noch erreichen!« Die Worte des Onkels rissen sie aus ihren Gedanken.
Schnell packten sie zusammen und setzten ihren Weg fort. Diesmal ging die Fahrt sehr viel zügiger, als es bei ihrer Abreise im letzten Sommer der Fall gewesen war. Pferde zogen den Wagen bedeutend schneller, als Ochsen es vermochten. Bald kam die massive Wehranlage der Burg Meersburg in Sicht. Dort wurde gerade Markttag abgehalten.
Luzia bat Johannes, den Wagen anzuhalten. Er tat es mit Freuden, als er sah, wie Luzias Augen leuchteten. Johannes war verunsichert. Luzia war in sich gekehrt und hatte ihre Unbeschwertheit durch die Ereignisse in Ravensburg verloren. Seit ihrem Kuss schien sie ihm aus dem Weg zu gehen. Erleichtert stellte Johannes fest, dass es Luzia besser ging, je näher sie dem Bodensee kamen. Noch in Seefelden würde er Luzia fragen, ob sie seine Frau werden wollte.
Nachdem sie der Torwache erklärt hatten, dass sie lediglich den Markt besuchen wollen, ließ der Mann sie ohne Zoll passieren. Gemeinsam schlenderten sie durch die engen Gassen und begutachteten die angebotenen Waren, die lautstark angepriesen wurden. Das Angebot war hier in Meersburg reicher und bunter, als es in Ravensburg der Fall gewesen war. Sie rochen duftendes Brot und Gesottenes. Ein paar Männer brieten ein ganzes Schwein am Spieß. Während sie weitergingen, kamen sie an mehreren Marktständen vorüber, an denen Bäuerinnen gelbe Augustbirnen und frühe Zwetschgen verkauften. Das hatten sie in Ravensburg in diesem Jahr noch gar nicht gesehen. Sie kauften ein paar goldgelbe, nach Honig duftende Kürbisstücke, die ein altes Weiblein über einem offenen Feuer garte. Weiter unten erstanden sie noch eine Handvoll blutroter Wildkirschen. Ein
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