Seelenfeuer
sollte, denn seit ihrem Kuss ging sie dem Medicus ein wenig aus dem Weg, doch jetzt sprach die verräterische Röte ihrer Wangen Bände. Er hatte ihr seine Liebe gestanden, aber er hatte bislang nicht um ihre Hand angehalten. Dennoch habe ich mich von ihm küssen lassen. Nein, eigentlich habe ich seinen Kuss erwidert …
»Dann ist es abgemacht, du begleitest uns zum Bodensee?«
Johannes nickte und Basilius lächelte zufrieden. Aber dann fiel ihm ein, dass der eigentliche Grund für ihre Reise war, Luzia in Sicherheit zu bringen. Noch einmal seufzte er vor Erleichterung. Die letzten Tage waren wirklich anstrengend gewesen, mit Eselsgeduld hatten sie Luzia davon zu überzeugen versucht, Ravensburg eine Zeitlang zu verlassen. Aber diese
Einladung auf die Insel Reichenau schien Luzias Einwände endgültig zu zerstreuen. Basilius hoffte inständig, dass sich der Kaplan, einzelne Ravensburger Bürger und das Bauernpack wenigstens wieder annähernd beruhigen würden, bis Luzia zurückkäme. Dankbar dachte er an Bürgermeister Ettenhofer, der sich bisher weigerte, an die Existenz der Hexerei zu glauben, und sich standhaft gegen eine öffentliche Anklage wehrte.
16
D ie ersten Truhen waren bereits gepackt und weitere folgten.
Johannes lud alles auf den Wagen, dem zwei braune Kaltblüter vorgespannt waren. Während Luzia einen letzten Gang durchs ganze Haus antrat, stattete Basilius dem Bürgermeister einen Besuch ab.
»Ihr tut gut daran, wenn Ihr Eure Nichte eine Weile aus diesem verrückten Hexenkessel fortbringt. Noch besser wäre es, wenn sie dort unten am Bodensee die Frau des Medicus werden würde. Ihr wisst, einer verheirateten Frau kann nicht so leicht am Kittel geflickt werden«, sagte Ettenhofer und lächelte müde. Er saß hinter seinem mächtigen Schreibtisch und nahm einen Schluck aus seinem Weinbecher. »Den Vorwürfen ist fast nicht mehr beizukommen, und Kaplan Grumper drängt das Blutgericht, öffentliche Klage zu erheben. Er ist sich sehr bewusst, dass er ohne uns nichts ausrichten kann. Einzig dem weltlichen Gericht obliegt es, eine Verhandlung einzuberufen. Bisher konnten Ammann Jost und ich den eifrigen Gottesmann noch hinhalten, aber die Argumente gehen uns langsam aus.«
Basilius nickte sorgenvoll und lehnte sich in den Scherenstuhl zurück, den ihm der Bürgermeister angeboten hatte. Er nahm ebenfalls einen Schluck aus seinem Becher. Eigentlich war es noch viel zu früh für unverdünnten Wein, aber er wollte Ettenhofer nicht kränken. Sie sprachen noch über die Fahrt und das Wetter, ehe sich Basilius verabschiedete.
»Gehabt Euch wohl, und gute Reise. Ach ja, und entrichtet dem jungen Arzt meine besten Wünsche und sagt ihm, er möge auf Eure Nichte achtgeben. Sie ist ein verdammt hübsches Mädel und gescheit obendrein. Wenn einem als Mann so etwas vor die Flinte läuft, bei Gott, dann darf man nicht zögern.«
Ettenhofer schloss die Tür hinter dem Apotheker und sandte ein stilles Stoßgebet zum Himmel. Mochten die Schwierigkeiten mit dieser Hebamme doch nur endlich vorüber sein!
Als das Fuhrwerk durch Ravensburg rumpelte, verkündeten die Bläser die neunte Stunde. Das Letzte, was Luzia sah, bevor sie die Stadt durch das Untertor verließen, waren die Bettler. Unter ihnen befand sich auch der Verkrüppelte mit den grünen Augen. Als das Fuhrwerk vorüberfuhr, nickte er zum Gruß.
Mit gemischten Gefühlen saßen Luzia und ihre Begleiter auf dem Planwagen, den Johannes für die Fahrt gemietet hatte. Jeder von ihnen ließ etwas anderes zurück. Basilius seine Apotheke, Johannes seine Patienten und Luzia die Frauen und Kinder, die trotz der Gerüchte und Beschuldigungen an sie glaubten. Dennoch hofften sie alle, das Richtige zu tun.
Der Reisewagen war gefüllt mit Truhen voller Lebensmittel
und Leinen. Schließlich war Luzia nichts anderes übriggeblieben, als die Speisekammer vollständig auszuräumen. Alles Essbare musste regelmäßig auf Schädlingsbefall kontrolliert werden, sonst hielten die Maden ein Festmahl. Auch einige Meter Wolltuch hatte sie am Gespinstmarkt noch abschneiden lassen, ehe sie den Deckel der Kleidertruhe geschlossen hatte. Wolltuche waren kostbar und teuer und Elisabeth träumte schon lange von einem eisblauen Mantel, den sie mit einer Silberfibel schließen wollte. Deshalb hatte Luzia auch noch eine besonders schöne Brosche beim Silberschmied in der Wollgasse erstanden.
Die Reise versprach recht unbequem zu werden, denn es regnete bereits seit der
Weitere Kostenlose Bücher