Seelenfeuer
»Ich freue mich, dich wiederzusehen. Ich hoffe, diesmal werden wir Freundinnen.«
Ida zögerte, doch dann nickte sie und drückte Luzias Hand.
Ein wenig herb fand Luzia die junge Frau mit der dunklen Aufsteckfrisur. Aber die rehbraunen Augen strahlten Gutmütigkeit und Herzenswärme aus. Luzia freute sich für die beiden. Ganz besonders natürlich für Matthias. Nun hatte er sein Glück also doch noch gefunden. Und das auch noch so nah. Immerhin lebte Ida genau wie Matthias schon ein Leben lang in Seefelden, doch früher hatten die beiden keine Augen füreinander gehabt.
Das Wiedersehen mit ihren Lieben legte sich wie ein warmer Sonnenstrahl auf Luzias Seele, und auch Basilius, der seine schmerzenden Glieder verstohlen reckte und streckte, gewann seine gute Laune wieder.
»Darf ich euch Johannes von der Wehr vorstellen?«, begann Luzia, nachdem sich der erste Sturm endlich gelegt hatte.
Johannes stand ein wenig abseits am Wagen und hatte bereits begonnen, die schweren Reisetruhen herunterzuheben. Selbst die lange staubige Reise hatte seiner Erscheinung nichts anhaben können. Er würde immer etwas Besonderes sein, ganz gleichgültig, wo er auftauchte, dachte Luzia mit einem wehmütigen Seufzen. In seinem schwarzen Gewandrock wirkte er elegant und ein wenig erhaben, aber das vom Fahrtwind zerzauste Haar verlieh ihm ein leicht verwegenes Aussehen, was ihm sehr schmeichelte, wie Luzia fand.
»Seine Familie kommt aus Überlingen, doch nach einer langen Lehr- und Studienzeit in Frankreich lebt und arbeitet er nun in Ravensburg. Er bekleidet das würdige Amt des Stadtmedicus, und wir alle dürfen uns ganz auf sein medizinisches Wissen verlassen«, erklärte Luzia und lächelte in die Runde der neugierigen Dorf bewohner.
»Schön, dass wir uns endlich kennenlernen, Luzia hat mir schon viel von Euch erzählt«, sagte Johannes und reichte Matthias die Hand.
Er kratzte sich verlegen am Kopf. »Nur Gutes, wie ich hoffe!«
»Selbstredend!«, bestätigte Johannes, nickte in die Runde und erntete ein Lachen.
»Jetzt lasst uns erst einmal hineingehen. Unsere lieben Gäste möchten sicher einen Schluck zur Erfrischung«, sagte Elisabeth schließlich und schob ihren Mann durch die geöffnete Haustür.
»Der junge Herr von der Wehr gefällt mir«, sagte Elisabeth später zu Luzia, als sie allein in der Küche standen. »Man spürt, wie viel du ihm bedeutest.«
Um ihre Tante nicht ansehen zu müssen, machte sich Luzia am Geschirrschrank zu schaffen. »Ja, er ist sehr charmant.«
»Hat er schon um deine Hand angehalten?«, fragte Elisabeth so beiläufig wie möglich. Immerhin unternahmen die beiden, wenn auch in Basilius’ Begleitung, eine gemeinsame Reise, und die Blicke, die der junge Medicus ihrer Luzia zuwarf, waren eindeutig.
Luzia schüttelte den Kopf und begann plötzlich zu weinen. Verwirrt legte Elisabeth von hinten ihre Arme um sie und murmelte ein paar Trostworte. Offensichtlich ist das die falsche Frage gewesen, dachte sie schuldbewusst.
»Ich hoffe, er hält mich nicht für unbesonnen«, murmelte Luzia mit tränenerstickter Stimme.
»Wieso sollte er das tun?«
»Ich habe ihn bereits geküsst, und nun weiß ich nicht …«
Elisabeth schüttelte den Kopf. »Du wirst sehen, er fragt dich schon sehr bald, ob du ihn heiraten möchtest. Das sehe ich an seinen verliebten Blicken«, sagte die Tante. Sie drehte Luzia zu sich herum und trocknete ihre Tränen mit dem Tassentuch, während sie in sich hineinlächelte. Die Verwirrungen des Herzens kannte sie nur zu gut. Aber wer hätte gedacht, dass sich auf dieser Welt doch noch ein Mann finden würde, dem ihre störrische Nichte die Hand fürs Leben reichen wollte!
Pater Wendelin hatte die Messe feierlich gestaltet und Luzia verließ nach langer Zeit das erste Mal die Kirche wieder mit einem guten Gefühl.
Im Anschluss saßen sie in der gemütlichen Stube des Paters und tranken bei einem ersten Kennenlernen einen Becher
Wein. Erst als Pater Wendelins Fragen persönlicher wurden, sah sich Luzia in der Pflicht, Johannes zu erlösen.
Der alte Pater wirkte heiter, als er Luzia am nächsten Tag bedeutete, sich zu ihm zu setzen. Gemeinsam saßen sie dicht an der hohen Friedhofsmauer unter der alten Eibe. Schon früher war das einer der Lieblingsplätze des Paters gewesen. Gemeinsam atmeten sie die Würde des alten Gehölzes, bevor Wendel in das vertraute Schweigen brach. »Der junge Medicus ist ein sehr liebenswerter Mann«, begann er und nickte Luzia zu.
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