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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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ehe sie es wagte, an die Tür des ehrwürdigen Herrn Inquisitor Doktor Heinrich Kramer zu klopfen.
    Nichts als Stille war die Antwort auf ihr zaghaftes Pochen. Erst als Klara bereits wieder den Rückweg in die Küche antreten wollte, vernahm sie die kalte Stimme, die sie in der Nacht bis in ihre Träume verfolgte. Ein Schaudern ließ sie erzittern, es würde erst weichen, wenn sie die abgeschiedene Kammer am Ende des düsteren Flurs wieder verlassen durfte. Sie alle ängstigten sich fast zu Tode, wenn eine von ihnen die Räume des Dominikaners betreten musste.
    »Herr, ein Brief wurde für Euch abgegeben«, sagte sie schüchtern und blieb auf der Schwelle stehen.
    »Wer hat ihn gebracht?«, fragte Kramer grob. Er saß mit dem Rücken zu ihr an einem Tisch, auf dem eine Menge Papiere und einige Bücher lagen.
    »Ein Bote, er hoffte, Euch zunächst im Kloster unten am See anzutreffen, aber die Brüder haben ihn zu uns in den Schwarzen Adler geschickt.«

    »Dann leg ihn dort auf den Tisch und geh!«, stieß er hervor, ohne sich umzuwenden.
    Regelmäßig zankte sich Klara mit den anderen Mägden des Gasthauses, wer diesmal in den ersten Stock hinauf musste, um dem ehrwürdigen Doktor Kramer dienlich zu sein. Seit einer kleinen Woche weilte er jetzt hier im Schwarzen Adler zu Konstanz, doch Klara kam es vor, als dauerte es schon einen ganzen Monat oder noch länger, dass er sie mehrmals täglich aus leblosen Augen anstarrte. Eigentlich wollte der Inquisitor längst im Dominikanerkloster am Ufer des Sees wohnen, aber dort stand das Wasser kniehoch in den Schlafräumen, und die Brüder suchten der Rattenplage Herr zu werden.
    »Der Koch lässt fragen, ob der ehrwürdige Herr Doktor Kramer heute eine besondere Vorliebe betreffend das Mittagsmahl hat? In der Frühe haben wir einige Hühner geschlachtet, so würde er Euch heute eine Suppe oder ein Brathuhn empfehlen.«
    Während der darauffolgenden Stille, die einfach kein Ende nehmen wollte, zählte Klara die Astlöcher in den schweren Brettern, die den Fußboden bildeten. Am liebsten hätte sie sich in einem dieser dunklen Löcher versteckt, bis Heinrich Institoris, wie er sich auch nannte, endlich zum Kloster übersiedeln konnte. Der Inquisitor zählte zu den bedrohlichsten Menschen, denen sie je begegnet war. In Konstanz erzählte man sich allerhand von ihm. Auch dass er die Ursel Hübner als Hexe entlarvt hatte, bevor er sie hatte auf dem Marktplatz verbrennen lassen. Sie selbst hatte die Ursel gekannt, aber als die Knechte des Henkers die junge Frau auf den Marktplatz zum Scheiterhaufen geschleppt hatten, war sie nicht wiederzuerkennen
gewesen. Ihr geschundener Körper war mit tiefen Wunden übersät, und sie konnte nicht einmal mehr selbstständig gehen. Klara schauderte bei dem Gedanken an das grausige Schauspiel. Ob Ursel eine Hexe war, wusste sie nicht, aber der Doktor musste es ja wissen. Überall hingen seine Urkunden. Zwar konnte sie sie selbst nicht lesen, aber das Siegel des Papstes, das erkannte sie noch im Dunkeln. Nach dem Urteil des Inquisitors war der Henker gezwungen gewesen, die Hübnerin auf dem Marktplatz bei lebendigem Leib zu verbrennen, dass wenigstens ihre Seele nicht bis in alle Ewigkeit in der Hölle schmoren musste. Wenn sie daran dachte, wie die Ursel in ihrer Qual geschrien hatte, während die Flammen immer höher schlugen …
    Klara schluckte schwer und trocknete ihre schweißnassen Hände an der Schürze, ehe sie sich räusperte: »Bitte verzeiht, aber was darf ich dem Koch ausrichten?«, flüsterte sie so leise, dass sie ihre Worte selbst kaum verstand.
    Als sich Heinrich Kramer erhob, erstarrte die Luft zu Eis. Nur zwei große Schritte waren nötig, bevor er neben ihr stand und sie aus seelenlosen Augen anstarrte, die ihr so erbarmungslos und hart erschienen, dass sie ein ängstliches Schluchzen nicht vermeiden konnte. Sein mageres Gesicht glich einem Totenschädel. Über den eingefallenen Wangen spannte seine bleiche Haut wie Pergament, und mit den schmalen, blassen Lippen wirkte der Dominikaner eher wie ein unheimlicher Geist als ein Mensch aus Fleisch und Blut. Noch bevor er zu sprechen begann, verbarg er seine Hände in den weiten Ärmeln seines makellos weißen Habits.
    »Du kannst dem Koch ausrichten, dass ich Wasser nehme. Nur Wasser und ein Stückchen trockenes Brot. Jede weitere
Nahrung kommt heute der Völlerei gleich und ist nur eine Versuchung des Teufels. Er ist es, der unseren Leib träge und den Geist dumpf werden lässt,

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