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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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bevor die ganze Teufelsbrut ausgelöscht ist und sich Ravensburg wieder als sicherer Ort bezeichnen kann!«
    Leise Zustimmung ging durch die Reihen der entsetzten Menschen. Einige Frauen legten sich die Hand über den Mund, als gelte es, einen Schrei zu unterdrücken.
    »Kraft des heiligen Amtes, das mir der Papst verliehen hat, fordere ich euch auf, mir noch am heutigen Tag, gleich nach der Messe, all diejenigen zu benennen, von denen ihr wisst,
dass sie sich der Hexerei schuldig machen. Weiter erwarte ich von euch, dass ihr auch jene bei mir meldet, von denen ihr nur glaubt, sie stünden unter dem Einfluss des Teufels. Kommt auch dann, wenn euer Verdacht nur von geringer Natur ist!«
    In die Gemeinde kam Bewegung. Ein jeder sah seinen Nachbarn an und fühlte misstrauische Blicke auf sich ruhen. Doch Kramer hatte immer noch nicht genug gedroht. »Als Erstes nennt ihr mir die Namen derer, die heute nicht zur Messe erschienen sind. Und lasst euch sagen, dass jedem, der es wagen sollte, meinen Forderungen nicht Folge zu leisten, die Exkommunikation durch den Papst droht!«
    Vom Chorgestühl aus verfolgte Kaplan Grumper Kramers eindrucksvolle Predigt. Als er sah, wie sich die Leute unter den Worten des Inquisitors mehrfach bekreuzigten und sich ängstlich duckten, nickte er zufrieden. Er wusste, jetzt befand sich Ravensburg in ihrer beider Hände. Fortan würde geschehen, was Kramer und er wollten, und nicht ein Einziger würde es wagen, sich ihrem Willen zu widersetzen.
    Ein wenig milder fuhr Heinrich Kramer fort. »Als Beauftragter der heiligen Inquisition kenne ich jeden Winkelzug einer Hexe. Glaubt mir, ich weiß, wozu sie fähig ist! Ich will euch jetzt sagen, was ihr tun könnt, um euch vor ihren Flüchen und Verwünschungen zu schützen.«
    Für jeden sichtbar hielt er ein Leinensäckchen hoch. »Das ist geweihtes Salz. Ein unfehlbares Mittel gegen Zauber jeder Art. Streut es auf die Türschwelle, und die Hexe kann euer Haus nicht betreten. Unsere brave Grete Muntz und der Messdiener verkaufen das geweihte Salz vom heutigen Tag an im Pfarrhaus.«

    In der Folge sprach Kramer über den Häuptern der Ravensburger den Segen und entließ sie nach Hause.
     
    »Hochwürden Kramer wird sich sicher über meine Aussage freuen«, flüsterte Schwarzenberger voller Häme, als er nach der Messe plötzlich dicht neben Luzia war und sie am Arm zurückhielt. Sein fauliger Atem streifte ihr Gesicht.
    Luzia glaubte, über den abgrundtief bösen Gedanken des Torwächters zu verbrennen. Schwarzenberger feixte und stolzierte in Richtung Pfarrhaus davon.
    Auch der alte Stadtmedicus Sauerwein, der Luzia vom ersten Tag an gehasst hatte, eilte zum Pfarrhaus. Luzia sah, wie er sich an die Brust griff, während er die niedrige Schwelle übertrat.
    Der dicke Ochsenwirt, die Bühlerin, Agathe Steffelin und einige andere folgten ihm. Bruder Anselm, Stadtrat Egle und sein Ratskollege Ludwig Bopfler mit Ehefrauen und weitere Räte schlugen das Kreuzzeichen, als sie an Luzia vorbeikamen, und eilten ebenfalls in Richtung Pfarrhaus. Vor dem eindrucksvollen Fachwerkbau hatte sich bereits eine große Menschentraube gebildet.
     
    Luzia ging Johannes im Antoniterspital zur Hand. Als Hebamme gab es in diesen Tagen in Ravensburg nichts für sie zu tun, denn niemand rief mehr nach ihr. Zwei Tage zuvor war ein schüchternes junges Mädchen in die Apotheke gekommen und hatte sie gebeten, ihrer Mutter in der Unterstadt beizustehen, die in den Wehen lag. Doch als Luzia in dem Haus eintraf, wies der Vater ihr unter Verwünschungen die Tür.

    Als sie an diesem Tag nach Hause ging, sah sie, wie Marianne Rössler im Begriff war, das Pfarrhaus zu betreten.
    »Nanne! Mein Gott, wie schön, dass ich dich endlich wieder einmal treffe«, rief Luzia und wollte wie immer die Arme um die Freundin legen.
    Aber Nanne machte keine Anstalten, es ihr gleichzutun. Wie versteinert stand sie ihr gegenüber und verbreitete eine Kälte, die Luzia frösteln ließ.
    Sie fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen. Die kalte Ablehnung der Freundin schmerzte sie mehr als all die feindlich gesinnten Blicke und Äußerungen der anderen Ravensburger. »Als ich gestern auf einen Sprung bei dir vorbeischauen wollte, schickte mich deine Mutter fort, weil du nach ihrer Auskunft ausgegangen warst. Jetzt weiß ich, dass es eine Lüge war. Ihr fürchtet euch vor mir, weil auch ihr glaubt, dass ich eine Hexe bin!«, schrie Luzia, während heißer Zorn in ihr hochkochte. Am liebsten hätte sie

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