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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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Rolle.
    »Ein paar Beschwerden beziehen sich auf zwei andere Weiber. Beide können wir aber getrost vernachlässigen. Für sie bleibt später immer noch Zeit. Alle anderen Aussagen belasten die Hebamme Luzia Gassner schwer«, begann Kramer seinen Vortrag. »Ihr wurde neben den bekannten Vorwürfen des Kindsmords, des Wettermachens und des Ausübens diverser Schadenszauber an Mensch und Tier auch angelastet, mehrere Fehlgeburten ausgelöst zu haben. Zu diesem Zweck hat sie offensichtlich in der Liebfrauenkirche ein wenig Farbe eines Wandgemäldes mit einem Messer abgeschabt. Wir alle kennen das schaurige Bild, es zeigt den gefallenen Engel Luzifer. Dieses Pulver habe sie den Schwangeren in einem Getränk gereicht und damit die Leibesfrucht getötet.«
    Ein entsetztes Raunen ging durch die Reihe der Räte. In ihren müden Gesichtern zeigten sich Ekel und Abscheu. Bopfler und Egle nickten zustimmend und flüsterten miteinander. Bei Konrad Ettenhofer erkannte Kramer allerdings immer noch jene Zweifel, die laut Grumper nur schwer zu beseitigen waren. Nun, man würde sehen, was passierte, wenn die Räte gleich seine ganze Macht zu spüren bekamen. Mit
feierlicher Miene erhob sich Kramer aus seinem Scherenstuhl und blickte in die Runde der Männer. Über dem Saal lag eine erwartungsvolle Spannung, der sich niemand entziehen konnte. Allein Kramers Anwesenheit sorgte dafür, dass die Anwesenden fröstelten. Bevor er zu sprechen begann, räusperte sich der Inquisitor laut und ausgiebig und verbarg seine Hände in den weiten Ärmeln seines weißen Habits. Bevor er seine Entscheidung verkündete, genoss Kramer einen Augenblick die ganze Aufmerksamkeit, die ihm die Räte in der völligen Stille des düsteren Saals entgegenbrachten.
    »Kraft des mir verliehenen Amtes und im Namen der heiligen katholischen Kirche eröffne ich hiermit das Inquisitionsverfahren gegen die Hebamme Luzia Gassner und übernehme gleichzeitig den Vorsitz!«
    Vereinzeltes Nicken bestärkte ihn in seinem Vorhaben. »Bei der Wahl des Notars entspreche ich mit Freuden dem Wunsch des Papstes und erkläre Eusebius Grumper zu meinem Beisitzer und Schreiber. Und jeder, der sich unserer heiligen Arbeit in den Weg stellt, sollte sich ernsthaft fragen, ob er nicht selbst einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat!«, mahnte Kramer scharf und ließ seinen Blick, einem Raubtier gleich, in die Runde der Räte schweifen, ehe er sich wieder setzte und einen Schluck Wasser trank.
    Grumper nickte und lehnte sich zufrieden in seinem Stuhl zurück. Bürgermeister Ettenhofer und Ammann Jost sahen sich über den großen Tisch hinweg an. Wortlos wusste jeder, was im anderen vorging. Doch nach der öffentlichen Drohung galt es, die engsten Angehörigen zu schützen und den eigenen Kopf aus der von Kramer geknüpften Schlinge zu befreien.
    Nachdem der Inquisitor festgestellt hatte, dass es keinen
Einspruch gegen seinen Beschluss gab, ließ er eine Klageschrift aufsetzen und rief den Büttel Meinrad Feuersinger herein.
    Der Mann mit dem groben Gesicht wartete in demütiger Haltung neben dem großen Tisch, bis Kramer ihm alles erklärt hatte. Ein wenig mulmig war ihm bei dem Gedanken schon. Immerhin hatte ihm der Inquisitor geweihtes Salz auf sein Haupt und in die Kitteltaschen gestreut. Wenn die Hexe wirklich so gefährlich war …
    In Kramers Auftrag sollte er mit dem amtlichen Schriftstück in die Marktstraße gehen und die Hebamme Luzia Gassner mit Stricken binden und sie in den Grünen Turm bringen. Das würde er schaffen! Schließlich diente er jetzt der heiligen Inquisition, dachte er stolz und straffte seinen Rücken.

20
    S osehr sich Luzia auch bemühte, in der schwarzen Dunkelheit des Verlieses wenigstens einen winzigen Hoffnungsschimmer zu erkennen, es wollte ihr nicht gelingen. Die undurchdringliche Stille, die Einsamkeit und die eisige Kälte des Gefängnisses drohten ihre Seele aufzufressen. Ihre klammen Finger griffen immer wieder neben sich in das schmierige Stroh. Es fühlte sich feucht und kalt an und stank nach Schimmel und den menschlichen Ausscheidungen all jener, die vor ihr ein Stück ihrer Seele hiergelassen hatten. Viele hatten den Kerker nur noch tot verlassen. Berta Vögelin war eine von ihnen gewesen. Luzia spürte, wie ihr in der Schwärze des Verlieses eine Ratte über die nackten Beine lief. Sie rüttelte an den schweren Fußfesseln, aber die ließen ihr nicht viel Spielraum, um den Attacken des hungrigen Tiers auszuweichen. Allerlei Getier krabbelte

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