Seelenfeuer
spülte sie mit Wellen der Übelkeit, die sich aus ihrem Magen emporkämpften, an den Rand eines tiefschwarzen Abgrunds. Wieder und wieder stieß Schwarzenberger mit erbarmungsloser Gewalt in ihr Innerstes und bald bestand ihr ganzes Sein nur noch aus Schmerz. Rote, alles verzehrende Qual brannte sich durch ihren Leib und fraß, was sich ihr in den Weg stellte. Sie fühlte den zähen Speichel, der aus seinem geöffneten Mund auf ihre Lippen tropfte. Sie hörte das wilde Keuchen des Wachmanns, ehe er sich in ihr aufbäumte und mit einem tiefen Seufzen neben sie rollte. Gnädige Schwärze griff nach Luzia und zog sie in die Tiefe des Vergessens.
Erst der tobende Schmerz in ihr und Sauerweins ausdruckslose Stimme – »Lieg still, sage ich!« – brachte Luzia in den Kerker zurück. Sie lag in einer Lache ihres eigenen Blutes, während die Geschehnisse der vergangenen Nacht durch einen Nebel aus Schmerz und Angst in ihr Gedächtnis drängten.
Schwarzenberger hat mich geschändet und Sauerwein weiß davon!, fuhr es ihr durch den Kopf.
Der alte Medicus stopfte scheinbar gleichgültig einen mit Eiswasser getränkten Schwamm in ihren blutenden Schoß, um ihn gleich darauf wieder herauszuziehen und abermals mit Wasser zu tränken. Wieder und wieder presste Sauerwein ohne die geringste Rührung das eisige Nass zwischen ihre
Schenkel und entfernte jede äußere Spur der brutalen Vergewaltigung.
Währenddessen stand Kaplan Grumper in seinem bodenlangen Ornat neben der geschlossenen Tür und nickte zufrieden. Sein gieriger Blick brannte sich auf ihren nackten Leib und brachte Luzia an den Rand des Wahnsinns. Luzia fühlte abgrundtiefen Hass in sich aufsteigen.
»Verehrter Sauerwein, welches Ergebnis hat nun die Untersuchung der Gassnerin ergeben? Ist sie noch unberührt, oder hat der Teufel womöglich bereits seinen Samen in das verderbte Weib gepflanzt?«
In Grumpers Augen erkannte Luzia jenes gierige Glitzern, welches sie bereits aus Kindertagen kannte. Sauerweins rotes Gesicht zeigte immer noch nicht die geringste Regung. Luzia erkannte nicht einmal die Spur von Mitleid auf seinen kühlen Zügen.
»Wenn die Gassnerin noch Jungfrau ist, sind wir beide Knaben. Der Teufel reitet sie sicher schon seit vielen Jahren!«, stieß Sauerwein hervor und erhob sich aus dem Unrat.
Als Luzia wieder allein war, weinte sie, bis sie keine Tränen mehr hatte. Zurück blieb nichts als Schmerz und Finsternis.
Allein bei dem schrillen Quietschen der schweren Kerkertür krampfte sich Luzias Leib zusammen und gab grüne, bittere Galle von sich. Als Michel in der dunklen Uniform des Wachhabenden mit einer Fackel unter der Tür stand, rollte sie sich auf die Seite und zog die Beine an. »Hier ist dein Essen und ein frisches Hemd«, bemerkte er laut und sachlich. Er schob einen alten Blechnapf und einen schmierigen Steinkrug bis vor ihre Füße. Das grobe Hemd aus Sackleinen legte er in eine
trockene Ecke des Verlieses. Dann zündete er neben Luzia einen Kerzenstummel an und klebte ihn mit einigen Tropfen Wachs am Boden des Kerkers fest. »Schaut unter das Brot!«, flüsterte er eindringlich und versuchte ein aufmunterndes Lächeln, bevor er verschwand und die Tür wieder ins Schloss fiel. Was immer sich auch unter dem Brot befinden mochte, Luzia war es gleichgültig. Sie fühlte sich unendlich müde und krank. Von dieser Beschmutzung konnte sie lediglich der Tod reinigen.
Das goldene Licht der kleinen Flamme kämpfte so tapfer gegen die finstere Dunkelheit in ihrer Seele, dass irgendwann doch ein wenig Leben zurückkehrte.
Mit zitternden Händen folgte Luzia Michels Anweisungen und drehte den halben Laib herum. Zu ihrer Verwunderung fanden ihre Finger ein Loch in der harten Kruste. Vorsichtig vergrößerte sie die Öffnung und fand ein zu einer kleinen Kugel zusammengerolltes Papier. Sie strich es glatt, so gut es ging, und las.
Geliebte Luzia!
Mir bleibt nicht viel Zeit, ich habe die Wache bestochen, dass dir der junge Weidacher meine Nachricht mit der Mahlzeit überbringen konnte.
Luzia, bitte, lies meinen Rat und befolge ihn genau, nur dann kannst du die Wasserprobe bestehen!
Im Wasser musst du versuchen die Ruhe zu bewahren! Kannst du dich an das Sternbild des Pegasus erinnern? Wir konnten es gemeinsam in Seefelden bewundern. Versuche dir jeden einzelnen Stern des geflügelten Pferdes ins Gedächtnis zu rufen, wenn du unter Wasser bist.
Doch jetzt kommt das Wichtigste:
Solange sich in deinen Lungen noch Luft befindet,
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