Seelenfeuer
nehmen. Zweimal schnitt er sie in die empfindliche Haut, und Luzia schrie auf. Während der ganzen Zeit hielt sie ihre Augen geschlossen, aber sie spürte
dennoch, wie sich die Blicke der Kirchenmänner und der Zeugen tief in ihre Seele gruben.
»Nun zu den Hexenmalen«, nahm Kramer die Belehrung des Henkers wieder auf und suchte auf Luzias ebenmäßiger Haut nach einer auffälligen Stelle. Luzia wollte sich aufrichten, doch der Henker drückte sie mit seinem ganzen Gewicht zurück auf den Tisch.
»Mit dem Hexenmal besiegelt der Teufel das Abkommen mit der Hexe. Seht es als seine Unterschrift auf einem unsichtbaren Vertrag. Viele davon entpuppen sich als gewöhnliche Muttermale, andere sind für das ungeübte Auge eines Laien nicht auszumachen.« Institoris reichte dem Henker eine dicke Nadel und deutete auf die Stellen, die Ungelehrt bearbeiten sollte.
Bald spürte Luzia den scharfen Schmerz der Nadel in ihrem rechten Arm, in der Innenseite ihres Oberschenkels und ein paar Mal auf dem Bauch. Über jeder Stelle bildete sich ein kleiner Blutstropfen, die ein feines rotes Netz auf Luzias helle Haut zeichneten.
»Das hier«, rief Institoris aufgeregt und deutete auf einen kleinen dunklen Punkt, nicht größer als der kleinste Kopf eines Eisennagels, den Luzia schon immer auf ihrer rechten Brust neben der Brustwarze trug. »Das ist ein sichtbares Hexenmal. Du wirst sehen, dass die Hexe dort keinen Schmerz empfindet und keinen Tropfen Blut gibt!«
Der Henker nickte zögernd.
»Halt ein! Lass mich zuerst etwas geweihtes Salz auf die Hexe streuen, es wird uns vor ihrer Zauberkraft bewahren«, unterbrach Kramer den Henker in seinem Tun. Die weißen Kristalle schimmerten im Licht der Fackeln wie Schnee. »Das
sichtbare Hexenmal überlässt du besser meinen kundigen Händen.«
Ungelehrt nickte dankbar. Ihm war nicht wohl bei der Sache.
»Hier benutze ich eine geweihte Nadel. Sie ist dicker, und das Ergebnis wird eindeutiger ausfallen«, dozierte Kramer und deutete auf das spitze Instrument in seiner Hand. Mit ernster Miene setzte der Inquisitor den Dorn auf den dunklen Fleck. Während Luzia auf den spitzen Schmerz wartete, schloss sie die Augen. Doch es geschah nichts! Sie fühlte keinen Stich, und als sie leicht den Kopf hob, sah sie, dass kein Blut austrat.
»Da seht Ihr es!«, rief Kramer triumphierend.
Die Männer sogen scharf den Atem ein. Grumper, der dicht neben Kramer und dem Henker gestanden hatte, streckte einen Zeigefinger aus und berührte Luzias Haut, um sich zu vergewissern, dass er richtig sah. Sogar Ettenhofer und der Amman verließen ihre Plätze, um das Unglaubliche aus der Nähe zu verfolgen.
Mit dem Werkzeug in Kramers Hand stimmt etwas nicht!, dachte Luzia entsetzt, als sie Institoris beobachtete, wie er wieder und wieder in den kleinen Fleck stach, während sie nicht den geringsten Schmerz fühlte. Wenn sie daran dachte, wie weh die anderen Einstiche getan hatten!
Institoris beglückwünschte sich einmal mehr zu diesem begnadeten Instrument. Einmal mehr berauschte die Freude darüber seine Sinne. Während die gefährlich wirkende Spitze unter der geringsten Berührung im Schaft nach innen glitt, sahen alle, dass sie es offenkundig mit einer Hexe zu tun hatten. Die Dummen muss man vor sich selbst bewahren, indem
man ihnen zeigt, was sie sehen wollen. Anders glauben diese Tölpel nicht, dass die Welt aus Teufelsdirnen besteht, dachte Kramer zufrieden. Ohne seine Hilfe würde die Welt unaufhaltsam ihrem Ende zuschlittern. Da war es nicht mehr als recht, dass unter seinen Händen jedes Mal zu einem Hexenmal taugte.
»Wann hat dich der Teufel das erste Mal besucht und wie hat er dich dazu gebracht, den Hagel zu machen?«
»Ich kenne den Teufel nicht und habe auch nie mit ihm gesprochen!«
»Wenn du dem Teufel abschwörst und dich zur heiligen Mutter Kirche bekennst, bleibt dir jede weitere Folter erspart. Wenn dein Onkel dann noch ein paar Münzen in Meister Ungelehrts Beutel wirft, erweist der Henker dir sicher die Gnade, dich zu erdrosseln, ehe die Flammen deine Seele läutern.«
»Es gibt nichts, was ich gestehen könnte. Ich habe mich zu keiner Zeit von unserem Schöpfer abgewandt«, flüsterte Luzia. Sie fror so entsetzlich, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. Das Salz brannte in den vielen kleinen Wunden, welche die Nadel hinterlassen hatte.
»Nenn uns jetzt deine Gehilfen. Wer war noch dabei, als du das Wetter gemacht hast?«
»Ich habe das Wetter nicht gemacht und deshalb kann ich
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