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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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Euch auch niemanden nennen, der dabei gewesen wäre!«
    Kramer ließ ihr nicht einmal die Zeit für ein weiteres Wort.
    »Hast du schon einmal einen Raben gefüttert?«
    Nanne! O Gott, Nanne!, dachte Luzia verzweifelt und nickte schwach.
    »Also ja. Und zu welchem Zweck, wenn nicht, um dem Höllenfürsten zu gefallen?«

    »Sind die Raben nicht auch Geschöpfe Gottes?«
    »Ich glaube nicht, dass du beurteilen kannst, was ein Gottesgeschöpf ist, und wenn du genau das in diesen Höllenvögeln siehst, ist deine Seele noch schwärzer, als ich bislang angenommen habe«, sagte Kramer drohend und wandte sich ab.
    »Zieh die Hexe auf!«, befahl er dem Henker schroff.
    Der ließ Luzia los und zerrte sie von dem Tisch. Während er ihre Arme auf dem Rücken mit einem Seil band und den Haken des Seilzugs daran befestigte, wusste Luzia noch nicht, was auf sie zukommen würde. Erst als ihre Füße mehr und mehr den Bodenkontakt verloren und Ungelehrt Luzia höher zog, fühlte sie den lodernden Schmerz in ihren Schultergelenken. Es fühlte sich an, als würden ihre Gelenke herausgebrochen. Der grausame Schmerz grinste ihr ins Gesicht und erfasste mit eisernen Spitzen ihren ganzen Leib. Die unvorstellbare Qual löschte alles Vorangegangene aus. Der Henker ließ sie einen halben Meter über dem Boden hängen und setzte sich auf seinen Hocker.
    »Willst du uns jetzt vielleicht erzählen, wie du den Hagelsturm heraufbeschworen hast? Oder warum du das Kind der Löfflerin getötet hast?«
    Luzia schloss die Augen.
    »Waren nicht Brigitta Lanzner und Franziska Egolf deine Komplizinnen?«
    »Ich habe das Wetter nicht gemacht und schon gar kein Kind getötet! Und die beiden Frauen kenne ich lediglich vom Markt. Ich habe nie ein Wort mit ihnen gewechselt«, schrie Luzia.
    »Das Weib ist derart verstockt!«, flüsterte Kramer mehr zu sich selbst.

    »Wie ich bereits gesagt habe, empfehle ich Euch die Peitsche!«, wandte Grumper ein. Ettenhofer schlug entsetzt die Hand vor den Mund, der Kaplan quittierte die Geste des Bürgermeisters mit unsanften Worten. »Euer Mitgefühl ist völlig unangebracht. Ihr solltet nicht vergessen, dass wir es hier mit einer Hexe zu tun haben.«
    Auch der Inquisitor nickte und wies den Henker mit einer nachlässigen Handbewegung an, die nächste Stufe der Folter auszuführen.
    Während sich die kleinen Bleikugeln tief in Luzias Fleisch schnitten, wurden schreckliche Erinnerungen wach. Der lodernde Schmerz zerrte an ihren Sinnen und drängte sie in eine längst vergangene Zeit. Wieder kniete sie auf scharfen Holzscheiten, während sich der Kaplan an ihrer Angst ergötzte und die Peitsche auf ihrem unbedeckten Rücken tanzen ließ. Der Schmerz und die namenlose Angst überschwemmten ihren Geist und rissen Luzia in einer roten Welle davon. Sie vergaß Raum und Zeit, und erst das kalte Wasser in ihrem Gesicht brachte sie in die Wirklichkeit der Folterkammer zurück.
     
    Bürgermeister Ettenhofer besaß den unglaublichen Mut, den Inquisitor darauf hinzuweisen, dass es untersagt war, die Folter zu wiederholen. Kramer bedachte ihn mit einem Blick, der den mächtigen Amtsvorsteher für immer zum Schweigen brachte, und setzte die Tortur tagelang fort. In den Prozessakten ließ er vermerken, dass die peinliche Befragung lediglich ihren Fortgang fand und er sie keinesfalls für beendet erklärt hatte.
    In den Nächten lag Luzia in der kalten Stille ihres Kerkers und versuchte sich an die Gesichter ihrer Lieben zu erinnern.
Sie suchte Trost bei dem Gedanken an Elisabeth und Jakob, an Basilius und immer wieder an Johannes. Doch von der Welt draußen brach jeden Tag ein wenig mehr entzwei und segelte auf ihren Qualen davon. In lichten Momenten, wenn sich ihre geschundene Seele nicht in die sanften Arme des Todes sehnte, betete sie zu Gott und zur großen Erdenmutter.

22
    W ie geht es Luzia? Weißt du etwas Neues?«, fragte Basilius, der nur mühsam seine Ungeduld zügeln konnte.
    Johannes schüttelte den Kopf.
    »Aber ich dachte, Ettenhofer hat dir einen Passierschein gegeben?«
    »Das hat er«, bestätigte Johannes, »doch Schwarzenberger und sein Kollege haben mir den Besuch verwehrt.« Er ballte die Hand zur Faust und ließ sie auf den Tisch niedersausen. »Irgendwann bringe ich diesen Schwarzenberger um!«
    »Versündige dich nicht! Schwarzenberger ist es nicht wert, dass du dir die Hände schmutzig machst«, mahnte Basilius und klopfte seinem jungen Freund auf die Schulter. »Mit welcher Begründung haben dir die Wachen

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