Seelenfeuer
wollte.«
Luzia nickte. Sie kannte das Geschick, mit dem Institoris seine Fragen formulierte. Sie wusste von dem unerträglichen Schmerz, von der Angst, die die Sinne narrte und schwarze Gestalten an die Wände malte. Die vielen Stimmen, die höhnten und kicherten, ehe sie sich wieder im Nichts des Kerkers auflösten. Luzia konnte keinen Hass, nicht einmal Zorn auf die beiden empfinden, denn sie selbst war so oft schon kurz davor gewesen, alles zu gestehen, nur um dem ein Ende zu machen.
»Was ist mit Euren Wunden?«, fragte Franziska vorsichtig.
Luzia antwortete nicht, doch als Brigitta sie vorsichtig an der Schulter berührte, schrie sie vor Schmerz auf.
Die Frau wich entsetzt zurück. »Mein Gott, was haben sie Euch angetan«, flüsterte sie. »Das ganze Blut …«
»Und auf dem Holzmarkt errichten sie schon den Scheiterhaufen. Wir alle werden brennen«, schrie Franziska Egolf und sank schluchzend zusammen.
Jedes Mal, wenn der Riegel an der Tür ihres Kerkers zurückgezogen wurde, hoffte Luzia auf Michel. Sie wollte den Wachmann um ein Stück Pergament bitten und Johannes ein paar Zeilen schreiben. Er sollte wissen, wie sehr sie ihn liebte und wie gern sie seine Frau geworden wäre. Luzia wusste, dass Michel ihr diesen Wunsch nicht abschlagen würde. Nur einmal musste Michel noch kommen! Stattdessen kam Schwarzenberger, immer wieder Schwarzenberger, um sie zum Verhör zu bringen.
Inzwischen ließen Johannes und Basilius auch weiterhin nichts unversucht, um Luzia zu helfen. Johannes hatte Bürgermeister Ettenhofer unter allerlei Drohungen gezwungen, einen Brief an Erzherzog Sigmund zu verfassen. Mittlerweile war das Schreiben mit einem Boten in die Grafschaft Tirol unterwegs.
»Ihr habt sie doch gesehen! Wie geht es ihr? Könnt Ihr ihr wenigstens eine Nachricht von mir überbringen?«, fragte Johannes barsch.
Ettenhofer wurde aschfahl, und Johannes befürchtete, er würde sich übergeben. »Ihr könnt nichts mehr für sie tun. Niemand kann das«, sagte er tonlos.
»Was tut Kramer ihr an?«, schrie Johannes voller Zorn und packte Ettenhofer am Arm.
»Wenn ich Euch einen Rat geben darf, verlasst zusammen mit dem alten Starrkopf für eine Weile die Stadt. Wenn ich könnte …«
»Ihr seid ein solcher Feigling!«, brüllte Johannes schließlich und spuckte vor dem Bürgermeister auf den Boden. »Pfui Teufel! Glaubt nicht, dass Ihr mich los seid! Ich komme wieder!«
Der junge Medicus war bereits vor dem Morgengrauen in die Marktstraße gekommen und seither wanderte er unablässig in den weiten Räumen der Apotheke auf und ab. Unter seinen Augen lagen dunkle Schatten, und auf seinen eingefallenen Wangen zeigten sich dunkle Bartstoppeln. Auf den völlig erschöpften Basilius machte er bisweilen den Eindruck eines Wahnsinnigen.
»Ich schreibe selbst an Erzherzog Sigmund!«, rief Johannes entschlossen und brachte Papier und Tinte.
»Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass dein Wort schwerer wiegt als das des Bürgermeisters«, wagte Basilius einzuwenden.
Johannes schüttelte den Kopf. »Du hast recht. Schließlich stand ich selbst daneben, als Ettenhofer an Sigmund geschrieben hat. Auch den Boten habe ich selbst gesehen. Der Erzherzog muss das Schreiben längst in Händen halten, und dennoch hat er nichts unternommen. Kein Besuch, nicht einmal eine Antwort war ihm die Nachricht wert!«
Basilius legte seine Hand auf Johannes’ Schulter und versuchte ihn zu beruhigen.
»Aber es muss doch eine Lösung geben! Wir können Luzia nicht einfach ihrem Schicksal überlassen!«, rief Johannes unbeherrscht und rieb sich in einer zornigen Geste die Stirn.
Basilius nickte. Er würde sein eigenes Leben geben, um seine Nichte zu retten.
Obwohl dem alten Mann die Zeit bislang nichts anhaben
konnte, war Basilius in den Tagen, in denen seine Nichte nun schon im Grünen Turm saß, um Jahre gealtert. Sein Gesicht zeigte tiefe Falten und seine Augen wirkten so traurig und leer, dass es Johannes schmerzte, wenn er seinen alten Freund ansah.
»Für wichtig halte ich, dass du Kramers Zorn nicht noch mehr auf dich ziehst, sonst lässt er auch dich noch in den Grünen Turm sperren.«
»Du hast ja recht«, murmelte Johannes abwesend und starrte zum Fenster hinaus. »Das Beste wäre, wenn ich Kramer samt seinem Notar in die Hölle befördern könnte!«
Basilius schüttelte milde den Kopf. Er wusste, wie sehr der junge Arzt die beiden hasste. »Und im Anschluss würde der Henker dir den Kopf abschlagen, und du könntest
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