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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Haller
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großen Kirchplatz. Dabei versäumte sie nicht, jedem Bettler und den Aussätzigen eine Münze in ihre Beutel zu legen.
    »Gott sei mit Euch«, flüsterte eine zusammengesunkene Gestalt, die Luzia lediglich bis zur Hüfte reichte. Sie erkannte, dass dem Mann beide Beine fehlten.
    »Das Antoniusfeuer?«, fragte sie.

    Der Alte nickte, und Luzia sah in grüne Augen, die leuchteten wie das Leben selbst. »Das heilige Feuer hat mir die Beine genommen, aber noch habe ich Augen, um Gottes Schönheiten zu sehen.«
    Erst im Weggehen bemerkte Luzia den schimmernden Flusskiesel in ihrer Hand. Als sie sich noch einmal nach dem Mann umsah, nickte er und zog sich auf den Händen davon. Sie schob den rötlichen Stein in ihre Tasche und ging weiter.
    Als Luzia die Frau des Müllers zielstrebig auf sich zukommen sah, verlangsamte sie ihre Schritte.
    »Gott zum Gruße, Jungfer Luzia. Marie Weber ist eine gute Freundin von mir und da dachte ich«, die Müllerin geriet ins Stocken, »ich habe bereits vier Kinder geboren. Alles Mädchen, drei hat der liebe Gott noch in der ersten Nacht heimgerufen. Und jetzt hofft Urban, mein Mann, so sehr auf einen Jungen. Schließlich muss ja einer das Korn mahlen, wenn wir selbst alt und grau sind. Darf ich Euch in den nächsten Tagen um einen Besuch bitten?«, fuhr die junge Frau mit dem wohlgerundeten Bauch fort und reichte Luzia die Hand.
    »Ja natürlich, wann wäre es Euch denn recht?«, entgegnete Luzia freundlich. Nachdem sich die Frauen auf eine Stunde geeinigt hatten, verabschiedeten sie sich voneinander. Luzia drehte sich noch einmal um und sagte: »Ach übrigens, diesmal wird es ein Junge, und ab morgen solltet ihr mehrmals am Tag einen Sud aus Himbeerblättern trinken, denn Ihr werdet nicht mehr lange auf ihn warten müssen.«
    Zunächst wirkte die Müllersfrau verwirrt, doch dann spiegelte sich in ihrem Gesicht nichts als Freude.
    Grete Muntz trat mit saurer Miene aus dem Schutz der großen Eiche, die in der Mitte des Kirchplatzes stand. Luzia war
sicher, sie hatte alles mit angehört, und das war Wasser auf ihre Mühlen. Die Muntzin weigerte sich selbst nach all den Monaten noch, mit Luzia zusammenzuarbeiten. Schlimmer noch, sie beharrte darauf, Luzia habe einen Bund mit dem Teufel geschlossen. Bisher war Grete mit ihrer Behauptung, abgesehen von Kaplan Grumper und einigen wenigen anderen, allein. Dennoch wusste Luzia um die Gefahr, die von diesen beiden ausging. Wenn sie Grumper nur aus der Ferne sah, suchte sie das Weite. Beim bloßen Gedanken an seine leblosen Augen gefror ihr das Blut in den Adern, und seit sie wusste, wie Gretes Beziehung zu Grumper war und dass sich die Muntzin dem Kaplan regelrecht unterwarf, war der jungen Hebamme klar, dass sie in Ravensburg halbe Wunder vollbringen musste, um auf Dauer bestehen zu können.
    Nach wie vor saß Grete während einer Niederkunft mit in der Kammer und betete, doch die Leute äußerten zunehmend ihren Unmut. Denn die Muntzin verurteilte jeden helfenden Handgriff Luzias und verunsicherte die Leute mit ihrem Sündengeschwätz. Dabei hatte sich längst herumgesprochen, dass dank ihrer Hilfe die Aussicht auf ein lebendes Kind weitaus größer war, als es unter der Muntzin je der Fall sein würde.
    »Luzia, so komm doch endlich, oder sollen wir hier erfrieren?« Während sich Luzia suchend nach ihrem Onkel umsah, konnte sie den vernichtenden Blicken der Alten nicht entkommen.
    Beim Überqueren des Platzes wurde Luzia noch einige Male angesprochen, sie vereinbarte einige Besuche und tauschte Freundlichkeiten aus. Erleichtert stellte sie fest, dass sich Basilius, immer noch im Beisein des jungen Medicus, wieder recht angeregt mit einigen Herren unterhielt.

    Zögernd ging sie auf die kleine Gruppe zu, dabei wurde sie das Gefühl nicht los, der junge von der Wehr habe nur Augen für sie. Sein Blick begleitete sie in einer ruhigen, fast feierlichen Weise, und sie fühlte sich beinahe getragen von der Wärme seiner Augen. Luzia knickste vor den sehr viel älteren Herren.
    »Ah, da ist sie ja. Seid gegrüßt, Jungfer Luzia«, begrüßte der Bürgermeister sie. Der wohlbeleibte, ältere Mann trug einen Mantel aus bestem Wolltuch, als Kragen diente ein prachtvoller Fuchspelz. »Ihr seid eine große Bereicherung für unsere Stadt und eine Augenweide obendrein.« Er reichte Luzia die Hand und lächelte. Unter den lüsternen Blicken des Bürgermeisters fühlte sie sich unbehaglich. Jeder wusste, dass Burkhard Ettenhofer neben seiner Ehe immer eine

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