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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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so gewaltig und abschreckend wie die Mauern Babylons, von denen sie sich vor zehn Jahren überwältigt gefühlt hatte.
    »Was ist das für ein Tor?« fragte sie und zeigte mit der Hand darauf.
    »Das ist der Eingang für die Zivilpersonen. Aber man muß bei einem Beamten angemeldet sein, um durchgelassen zu werden. Und es ist nur bei Tag geöffnet.«
    Selene warf einen Blick auf Elisabeth, die leise in ihren Schleier weinte.
    »Es muß doch noch eine andere Möglichkeit geben, da hineinzukommen«, sagte sie und sah Flavius bittend an. Er war ein sehr ernsthafter junger Mann und ritterlich dazu, vermutete sie, da sie gesehen hatte, wie tapfer er Elisabeth verteidigt hatte. »Wenn wir ihn nur einen Moment sehen könnten. Wir wären so dankbar.«
    Sie hatte ihn richtig eingeschätzt.
    »Eine
Möglichkeit gibt es«, sagte er leise und warf einen Blick über die Schulter. »Aber es ist gefährlich …«
     
    Rani war froh, daß sie mit Ulrika zu Hause bleiben konnte, während Elisabeth und Selene ausgingen. Sie fand das ganze Unternehmen nicht nur gefährlich, sondern auch töricht. Aber nichts konnte Elisabeth bewegen, dem Geliebten fernzubleiben, und Selene war hartnäckig entschlossen, sich das römische Lazarett von innen anzusehen.
    »Was können uns die Römer denn noch lehren?« fragte sich Rani, während die beiden Frauen in ihre Verkleidung schlüpften. Wir haben jetzt genug für unser
chikisaka.
    Aber sie behielt diese Überlegungen für sich, und sie wünschte ihnen Glück und den Schutz der Götter, als sie im Dunkel der Nacht das Haus verließen.
    Es war Mitternacht, als sie die nördlichste Mauer der Stadt erreichten. Unter ihren Umhängen fröstelnd, warteten sie. Die Stadt war sehr still. Selene fand das merkwürdig, bis ihr einfiel, daß dies die heilige Woche war, in der alle, Einheimische wie Pilger, sich in ernster Feier sammelten.
    An die Mauer gedrückt, um sich vor dem beißenden Märzwind zu schützen, beobachteten Selene und Elisabeth die dunkle Straße und warteten ungeduldig. Stunden schienen ihnen vergangen zu sein, als endlich die erste Frau kam. Als noch einige folgten und sich an das Tor stellten, gesellten sich Elisabeth und Selene zu der kleinen Gruppe.
    Die anderen, die leise miteinander schwatzten, schenkten den Neuankömmlingen keine Beachtung. Selene und Elisabeth hatten sich mit Schminke, Schmuck und bunten Gewändern so herausgeputzt, daß sie wie Dirnen aussahen. Flavius hatte ihnen von den nächtlichen Besuchen der Prostituierten in der Festung erzählt; sie gingen in die Soldatenunterkünfte und die Gefängniszellen und machten sich vor Tagesanbruch wieder davon. Es verstieß natürlich gegen die Vorschriften, aber die Wachen pflegten beide Augen zuzudrücken. Eine große, auffallend hellhaarige Frau war eben für den Wachsoldaten bestimmt, der an diesem Tor Dienst tat.
    Ein Legionär kam ans Tor, sperrte auf und ließ die Frauen ein.
    »Ich warte auf euch«, hatte Flavius am Morgen versprochen. »Sobald ihr kommt, hole ich euch und führe euch in den Krankensaal.«
    Stumm folgten sie den schwatzenden Frauen durch das Tor in eine Säulenhalle. Jenseits der Säulen dehnte sich leer und gespenstisch der Innenhof im Mondschein. Selene blickte den von Fackeln erleuchteten Säulengang hinauf und hinunter. Flavius war nirgends zu sehen.
    Der Legionär führte die Frauen eine Treppe zur Linken hinauf, und einen Moment lang zögerten Selene und Elisabeth, unschlüssig, was sie tun sollten.
    »Wo ist er?« flüsterte Elisabeth, Furcht und Erregung in den Augen.
    Selene überlegte einen Moment, dann nahm sie Elisabeth bei der Hand und eilte mit ihr der Frauengruppe nach, die die Treppe hinaufstieg. Oben traten sie in einen großen Hof hinaus. Still und verlassen lag er unter dem Nachthimmel, die Steine seines Pflasters glattgeschliffen von den Schritten vieler Füße. Auf der gegenüberliegenden Seite des weiten Platzes konnte Selene einen erhöht stehenden thronähnlichen Sitz erkennen. Offenbar war dies der Ort, wohin man die Gefangenen zur Gerichtsverhandlung und Verurteilung brachte.
    Das Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie verzweifelt nach Flavius Ausschau hielt. Sie konnte nicht begreifen, wieso er nicht gekommen war. Der Legionär, bemerkte sie mit Schrecken, führte sie jetzt zu den Unterkünften. Stimmengewirr und Gelächter drang aus den hell erleuchteten Räumen.
    Selene und Elisabeth blieben zurück. Doch nun waren schon einige Männer aus den Unterkünften

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