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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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Wir bitten den Bibliothekar, uns das beste Buch über das Rheinland zu geben. Möchtest du das?«
    »Ja«, antwortete Ulrika und drehte sich um, wieder zum Fenster hinauszusehen.

48
    »Sechs neue Mitglieder!« rief Mutter Mercia erfreut, während sie ihre Weinbecher füllte. »Stell dir das vor, Peregrina. Nie in der Geschichte des Tempels war unsere Mitgliederzahl so hoch. Und das haben wir alles dir zu verdanken.«
    Selene starrte in die Tiefen des dunklen Weins und dachte voll Trauer an Rani. Wie hätte sie das Leben in Alexandria genossen! Und wie anders wäre vielleicht alles geworden, wäre Rani nicht gestorben! Es war ihr Traum gewesen, die Schule der Medizin zu besuchen. Vielleicht hätte sie hier in Alexandria ein Haus gekauft, in dem sie zu dritt zusammen hätten leben können. Vielleicht hätten sie regelmäßig die Schule besucht, um von den großen Gelehrten dort zu lernen. Und vielleicht hätte Selene, da sie ja Geld gehabt hätte, ihre Suche nach einem Menschen, der ihr über ihre Familie hätte Auskunft geben können, fortführen können. Mittellos und ohne ein Dach über dem Kopf jedoch war Selene gezwungen gewesen, im Tempel Hilfe zu suchen.
    Sie war mehrmals nahe daran gewesen, sich Mutter Mercia anzuvertrauen und sie um ihre Hilfe zu bitten; aber die Vorsteherin des Tempels war eine weltfremde Frau. Sie war als ganz junges Mädchen vor nahezu sechzig Jahren in den Tempel gekommen und hatte nie wieder einen Fuß in die Außenwelt gesetzt. Alles, was sie über die Welt außerhalb des Tempelbezirks wußte, hörte sie von ihren seltenen Besuchern. Mutter Mercia war die Hohepriesterin der Isis; ihr Geist schwebte in höheren Sphären. Sie konnte Selene bei ihrer Suche gewiß nicht weiterhelfen, und Selene wollte die gütige alte Frau nicht mit ihren Kümmernissen belästigen.
    Auch von Andreas hatte sie Mutter Mercia nicht erzählt. Nachdem sie sich an der Schule nach ihm erkundigt hatte und nur Kopfschütteln oder falsche Auskünfte geerntet hatte – »Ach ja, Andreas! So ein Mann aus Gallien« –, hatte sich Selene in stille Trauer zurückgezogen. Ihn von neuem verloren zu haben, war schlimmer gewesen als alles, was ihr bisher widerfahren war. Darum hatte sie ihren großen Traum an sicherem Ort verschlossen. Jetzt wollte sie sich ganz dem Dienst der Göttin widmen, indem sie das Wissen und die Fähigkeiten, die sie sich auf ihren Reisen angeeignet hatte, zum Nutzen derer anwendete, die sie brauchten.
    »Es gibt viele junge Frauen, die in die Schwesternschaft der Isis eintreten möchten«, sagte Mutter Mercia gerade, »aber sie schrecken vor dem Gedanken zurück, daß sie ihr Leben so einfachen Aufgaben wie der Herstellung von Weihrauch oder dem Kopieren heiliger Schriften widmen sollen. Und darum kommen sie dann doch nicht. Aber jetzt können wir ihnen eine Aufgabe bieten, die sie als lohnend betrachten: die Pflege der Kranken. Jetzt ist sogar der Fall eingetreten, daß ich Aufnahmegesuche ablehnen muß.« Mutter Mercia lächelte. »Und du bist eine hervorragende Lehrerin, Peregrina.«
    »Die Anerkennung gebührt nicht mir allein, Mutter. Ich habe sehr gute Schülerinnen. Wenn sie in ihrem Übereifer auch manchmal das Falsche tun. Die Hauptsache ist, sie halten sich an den Rat, den ich ihnen immer als erstes gebe: Vor allem keinen Schaden tun.«
    »Das ist ja interessant«, meinte Mutter Mercia und trank einen Schluck Wein. »Mein alter Freund Andreas sagte gern genau das gleiche –«
    »Andreas? Sie kennen einen Mann namens Andreas?«
    »Ja, sicher. Wieso? Wir lernten uns vor Jahren kennen, als er hier an der Schule der Medizin studierte. Heute sehe ich ihn selten. Er ist sehr viel auf Reisen. Aber immer, wenn er nach Alexandria kommt –«
    »Mutter Mercia«, sagte Selene, »ich kannte einmal einen Arzt namens Andreas. Es ist Jahre her. Es war in Antiochien.«
    »Das ist wirklich ein seltsamer Zufall. Gerade neulich sagte er zu mir, du erinnertest ihn an jemanden, den er einmal in Antiochien gekannt hat.«
    Selene erstarrte. »Er war hier? Im Tempel? Und er hat mich gesehen?«
    Mutter Mercia schüttelte verwundert den Kopf. »Ist es derselbe Mann?«
    »Wo ist er jetzt? Ich muß es wissen.«
    »Immer wenn er nach Alexandria kommt, nimmt er ein Zimmer in der Schule der Medizin. Aber ich glaube nicht, daß er noch dort ist. Er wollte etwa um diese Zeit nach Britannien reisen.«
    »Verzeih mir, Mutter«, sagte Selene, schon auf dem Weg zur Tür.
    »Peregrina, warte!«
    Aber sie war schon

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