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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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sagte Mutter Mercia, du wärst Schwester Peregrina.«
    »Ich habe viele Namen getragen«, erwiderte Selene leise. »Ich war vor fünf Jahren in Antiochien, Andreas. Aber deine Villa stand nicht mehr.«
    »Ich hörte, daß sie abgebrannt ist.«
    »Du bist von Antiochien fortgegangen«, sagte sie.
    »Wie du.« Er sah ihr unverwandt in die Augen. »Ich habe dich unzählige Male in meiner Erinnerung gesehen, Selene, in meinen Träumen; so oft, daß ich jetzt nicht wage, meinen Augen zu trauen. Mutter Mercia hat mir von deiner Arbeit hier berichtet. Sie erzählte mir, wie du hergekommen bist, daß du mit deiner Tochter bei den Schwestern lebst. Wie seltsam ist das Leben, daß es uns so wieder zusammenführt …«
    Siebzehn Jahre lang hatte Selene von diesem Augenblick geträumt, hatte sich dieses Wiedersehen so oft vorgestellt, daß ihr manchmal gewesen war, als hätte es tatsächlich stattgefunden. Doch jetzt, wo der Moment da war, wo sie Andreas leibhaftig vor sich sah, seine Stimme hörte und wußte, daß dies kein Traum war, fehlten ihr plötzlich die Worte.
    »Bist du Lehrer geworden, Andreas?« fragte sie. »Du wolltest doch ein Lehrbuch schreiben …«
    Sein Gesicht verdunkelte sich, und Bitternis färbte seine Stimme, als er antwortete: »Ich bin über alle Meere gefahren. Das Buch habe ich nie fertig geschrieben.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt bin ich im Dienst des Kaisers.«
    Selene spürte eine Spannung in der Luft. Die Atmosphäre war aufgeladen mit einer unheilvollen Energie. Die Knie zitterten ihr. Andreas, wollte sie sagen, die Götter haben uns endlich zusammengeführt. Wir können jetzt mit unserer Arbeit beginnen. Aber sie brachte es nicht über sich, die Worte auszusprechen.
    Andreas, schrie es in ihr. Warum hast du mich nicht gesucht? Warum bist du mir nicht nachgekommen, als ich nach Palmyra ziehen mußte?
    Plötzlich erkannte sie, daß sie die Antwort nicht wissen wollte. Die Erkenntnis dessen, was sie siebzehn Jahre lang zu leugnen versucht hatte, traf sie wie ein Schlag – die unausweichliche Wahrheit, daß Andreas ihr nicht gefolgt war.
    Zwei Wochen waren wir auf der Straße nach Palmyra, dachte sie, verletzt und zornig plötzlich. Und drei Tage lang habe ich mit meiner sterbenden Mutter am Straßenrand gesessen. Du hättest kommen können, Andreas. Du hättest kommen müssen. Aber du kamst nicht.
    Sie wandte sich ab. »Warum«, fragte sie ein wenig atemlos, »mußt du nach Britannien?«
    »Claudius will mich bei sich haben. Er ist in Britannien, und das Klima tut ihm nicht gut. Es steht mit seiner Gesundheit nicht zum besten.«
    Andreas’ Stimme klang hart, und dabei zerriß es ihm fast das Herz. Dies waren nicht die Worte, die er sagen wollte, doch die Erinnerung an den Schmerz, den Zorn und die Bitterkeit von damals lähmte ihm die Zunge. Sie hatte nach dem Lehrbuch gefragt. Er hätte ihr sagen können, daß jeder Gedanke daran mit dem Traum gestorben war; daß er ein Narr gewesen war, zu glauben, er könne ein neues Leben anfangen, er hätte für die Sünden der Vergangenheit genug gelitten.
    Alles hatte sich verändert. Die Liebe, die sie damals miteinander verbunden hatte, war tot. Selene hatte sie getötet, mit der Nachricht, die sie an seinem Tor hinterlassen und die ihm das Mädchen Zoë überbracht hatte – daß sie einen anderen heiraten würde, einen Mann in Tyrus.
    Er hatte Zoë nicht geglaubt und war am folgenden Morgen in aller Frühe zu Meras Haus gelaufen. Es war leer gewesen. Sie sind früh in die Berge aufgebrochen, hatte er sich gesagt. In zwei Tagen werden sie zurück sein. Er sah sich jetzt, wie er immer wieder zu dem kleinen Haus im Armenviertel gegangen war, verwirrt und ungläubig, wider alles Wissen hoffend, wartend, während die Tage zu Wochen und die Wochen zu Monaten geworden waren, ohne daß Selene zurückkehrte. Da hatte er endlich begriffen, daß es wahr war, daß ein zweites Mal in seinem Leben die Liebe ihn blind gemacht, daß Selene ihn verlassen hatte wie Hestia vor ihr.
    Und wenn Andreas auch noch den geringsten Zweifel an Zoës Worten gehabt hatte, so war dieser zerstört worden, als Mutter Mercia ihm gesagt hatte, daß Selene ein Kind hatte. Zoë hatte also doch die Wahrheit gesprochen.
    Selene starrte auf ihre Hände. Das war doch alles nicht richtig. Sie standen einander gegenüber wie zwei Fremde. Was war aus dem Traum geworden? Aus ihrem schönen Traum der gemeinsamen Arbeit als Lehrer und heilkundige Helfer. Sie hätte weinen mögen um den zerstörten

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