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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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fort.
     
    Alexandrias breite Straßen waren von Menschen bevölkert – abendliche Spaziergänger, Leute, die in eines der vielen Theater eilten, andere, die den warmen Abend in einem der Parks genießen wollten. Kaum einer drehte sich nach der jungen Frau um, die im weißen Gewand und der Kopfbedeckung der heiligen Schwester eilends vorüberging.
    Die Schule der Medizin stand an der Uferstraße, mit Blick auf den gewaltigen Steindamm, der die Stadt mit der Insel Pharos und dem berühmten Leuchtturm verband, der als eines der Sieben Weltwunder galt. Sie war ein großangelegter Bau aus weißem Marmor und Alabaster, mit Innenhöfen und Kolonnaden, von Fackeln strahlend erleuchtet.
    Selene rannte über weite Rasenflächen, an Gruppen von Medizinstudenten in weißen Tuniken und Togen vorbei, eine Treppe hinauf, die kein Ende zu nehmen schien. Vor der prächtigen Flügeltür, die von Standbildern der Götter der Heilkunst flankiert war, hielt Selene inne und schöpfte Atem.
    Als sie dann in die große Rotunde trat, war ihr, als beträte sie ein Heiligtum. In gewisser Weise war es auch so, denn hier waren die Götter versammelt: Äskulap, der griechische Gott der Heilkunst, und seine beiden Töchter Panakea und Hygieia; Thot, der alte ägyptische Gott der Wissenschaft; selbst Hippokrates stand in einer Nische, eine ewige Lampe zu seinen Füßen.
    Selene bemerkte einen Bediensteten, der den Boden fegte. Sie fragte ihn, wo sie einen Gast finden könne, der sich nur vorübergehend an der Schule aufhielt, und er beschrieb ihr den Weg zu den Wohnräumen auf der anderen Seite des Geländes.
    Wieder rannte sie. Ich glaube nicht, daß er noch dort ist, hatte Mutter Mercia gesagt. Er wollte etwa um diese Zeit nach Britannien reisen.
    Selene klopfte das Herz zum Zerspringen. Er muß da sein, dachte sie. Bitte, laß ihn da sein …
    Der Hausmeister war ein freundlicher alter Grieche, der Selenes atemloses Erscheinen erheiternd zu finden schien.
    »Ah ja, Andreas«, sagte er augenzwinkernd auf ihre Frage. »Er ist im Gästehaus. Ein Freund von dir?«
    »Bitte führ mich zu ihm.«
    Er führte sie durch einen Garten, einen gewundenen Pfad entlang und schließlich eine Treppe hinauf. Unaufhörlich floß sein Redestrom, aber Selene hörte nicht zu. Sie hielt den Blick starr geradeaus gerichtet, beide Hände auf ihr hämmerndes Herz gedrückt.
    Endlich gelangten sie in einen Korridor. Hinter geschlossenen Türen konnte Selene gedämpfte Stimmen hören, Gelächter, Musik.
    »So«, sagte der redselige Grieche, »hier wohnen unsere Gäste. Im letzten Jahr hatten wir sogar die Frau des Gouverneurs bei uns, die sich von einer Operation –«
    »In welchem Zimmer wohnt Andreas?« unterbrach Selene. Ihre Stimme zitterte, sie war kaum fähig zu atmen.
    »Gleich hier«, antwortete der Hausmeister und blieb vor einer geschlossenen Tür stehen, um zu klopfen.
    Aber es rührte sich nichts.
    Er klopfte noch einmal.
    Es blieb ganz still.
    »Vielleicht schläft er«, sagte Selene.
    Der Grieche warf ihr einen merkwürdigen Blick zu, dann öffnete er die Tür. Das Zimmer war leer.
    »Er ist fort«, sagte der Hausmeister.
    Selene drängte sich an ihm vorbei. Sie sah ein Bett, eine Truhe, einen Tisch und einen Stuhl. Alles kahl und leer.
    »Sucht ihr Andreas?«
    Selene fuhr herum. Ein Mann lehnte am Türpfosten.
    »Weißt du, wo er ist?« fragte sie.
    »Er ist vor ein paar Stunden abgereist. Sagte, er müßte zu seinem Schiff.«
    »Zu welchem Schiff? Weißt du das?«
    Er musterte sie von oben bis unten und tauschte einen vielsagenden Blick mit dem Hausmeister.
    »Er hat nur gesagt, daß er nach Britannien will. Mit welchem Schiff, kann ich dir nicht sagen.«
    Die beiden Männer sahen ihr nach, als sie den Korridor hinunterrannte. Einer von ihnen machte eine Bemerkung, und ihr Gelächter schallte laut in den heißen Abend hinaus.
     
    Das letztemal hatte Selene den Hafen gesehen, als sie und Ulrika mit ihren Reisebündeln hier an Land gegangen waren. Sie hatte ihn damals verwirrend gefunden und sie fand ihn auch jetzt verwirrend, aber sie ließ sich von den Menschenmengen, den Seeleuten und Hafenarbeitern, die ihr hinterhergrölten, nicht abschrecken.
    Von einem Pier zum anderen rannte sie, fragte nach jedem einzelnen Schiff, sprach Schiffseigner an, die kein Griechisch verstanden, erkundigte sich bei Kapitänen, die sie mürrisch abfertigten, versuchte, mit Schiffsagenten zu reden, die keine Zeit für sie hatten. Hoch oben in der Takelage mancher Schiffe

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