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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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nach ›Brot und Spielen‹. Selene wußte, was hier geschah; sie hatte mehrere Ausbrüche dieser Art in Rom erlebt. Die Menge schimpfte an diesem Abend über Claudius’ ständige Abwesenheit von Rom und die immer knapper werdende Nahrung.
    Selene drückte sich in eine Tornische, während die aufgebrachten Männer fäusteschüttelnd und Verwünschungen gegen die Reichen ausstoßend, an ihr vorüberzogen. Die Zahl der Menschen ohne Arbeit in Rom war hoch; ein großer Teil der Bevölkerung lebte von den Freirationen der Regierung, und so war eine Klasse entstanden, in der jederzeit Rebellion aufflammen konnte. An diesem Abend nun suchten diese Leute ihre Unterhaltung darin, lärmend durch die Straßen zu ziehen und die Soldaten zu reizen, die jetzt am Ende der Gasse auftauchten.
    Als Soldaten und Pöbel an der Straßenkreuzung aufeinanderprallten, kamen noch Reiter hinzu. An ihren Sätteln hingen Körbe, aus denen sie mit flinken Händen lebende Schlangen hervorzogen und sie unter die Menge warfen. Augenblicklich stoben die Leute schreiend auseinander, und Minuten später war die Straße leer bis auf die Soldaten, die ihre Schlangen wieder einsammelten.
    Als Selene aus dem Schutz der Tornische trat, sah sie einen Mann, der sich, die Hand auf seine Seite gedrückt, taumelnd von der Hausmauer entfernte und dann zu Boden stürzte. Die Soldaten ignorierten ihn; Selene jedoch eilte zu ihm. Er war unterhalb der Rippen verwundet worden. Eine rasche Untersuchung zeigte ihr, daß sie ihn hier auf der Straße nicht behandeln konnte. Die Verletzung blutete stark, sie mußte fest abgebunden werden, und der Mann brauchte einen Platz, wo er ruhig liegen konnte.
    In der Absicht, einen der Soldaten zu Hilfe zu rufen, schaute Selene auf und sah, daß die Straße leer war. Da fiel ihr die Insel in der Flußmitte ein, wo der Tempel des Äskulap stand. Die Brücke zur Insel war nicht weit. Sie half dem geschwächten und benommenen Mann auf die Beine und führte ihn, einen Arm fest um seine Mitte, schwankend zum Fluß hinunter.
    Eine alte steinerne Brücke verband das linke Tiberufer mit der Insel. Sie war in der Nähe des Eingangs zum Theater des Marcellus, wo sich eine große Menge zum Kartenkauf für die Abendvorstellung drängte. Selene half dem Fremden durch das Gewühl auf die Brücke.
    Sie wußte, daß die auf der Insel stehenden Gebäude, die sich jetzt scharf umrissen im letzten Licht zeigten, zum Tempelbezirk gehörten. Sie hatte diese Heilstätte seit ihrer Ankunft in Rom noch nicht besucht, nahm aber an, sie sei ähnlich wie die anderen Äskulaptempel im Reich, und meinte, der Verletzte würde dort Hilfe bekommen. Doch auf der anderen Seite der Brücke bot sich ihr ein so schrecklicher Anblick, daß sie ihren Augen nicht trauen wollte.
     
    Endlich bewegte sich der Vorhang, und der blonde Kopf zeigte sich. Mißtrauisch starrte der Junge Ulrika mit seinen blauen Augen an, bereit, jederzeit die Flucht zu ergreifen.
    »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte Ulrika wieder, die nicht verstand, warum er so scheu war. Sie bot ihm die Hand. »Ich bin deine Freundin.«
    Er kam hinter dem Vorhang hervor, wahrte jedoch mißtrauisch Abstand. Jetzt begriff Ulrika, warum er Angst hatte: Auf seinen Oberarmen brannten die roten Striemen von Peitschenschlägen, die er erst kürzlich erhalten hatte; und an den Handgelenken, wo die Fesseln ihn wundgescheuert haben mußten, hatte er rote Narben. Dieser Junge war noch nicht lange in der Sklaverei; er mußte erst noch ›abgerichtet‹ werden.
    »Verstehst du mich nicht?« fragte sie auf griechisch.
    Er starrte sie nur stumm an, hatte die Sprache seiner Herren offensichtlich noch nicht gelernt.
    Sie musterte ihn aufmerksam. Er war groß und langgliedrig wie sie selbst, und hatte, fand Ulrika, ein sehr schönes Gesicht. Die großen blauen Augen lagen weit auseinander, die Nase war lang und gerade. Und Angst, erkannte Ulrika, hatte er eigentlich gar nicht; er war nur mißtrauisch wie ein ungezähmtes Tier.
    »Ich bin Ulrika«, sagte sie und deutete auf sich selbst. »Wie heißt du?«
    Er starrte sie an.
    »Ulrika«, wiederholte sie und tippte sich auf die Brust. »Ich bin Ulrika.« Sie trat ein paar Schritte näher, hielt jedoch an, als sie sah, wie er zurückwich. Sie richtete den Zeigefinger auf ihn und sah ihn fragend an.
    »Eiric«, sagte er schließlich.
    Ulrika lächelte. »Grüß dich, Eiric«, sagte sie.
    Sie trat noch etwas näher. Diesmal blieb er stehen. Als sie nahe genug war,

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