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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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blickte sie auf den Anhänger auf seiner Brust. Es war das Kreuz des Odin. Sie griff nach dem Lederband, das um ihren Hals lag und zog es unter ihrem Gewand hervor. Eiric riß die Augen auf, als er es sah.
    »Odin«, sagte er ungläubig.
    »Ja, Odin. Mein Vater hat meiner Mutter das Abzeichen gegeben, ehe er starb.«
    Er sah ihr forschend ins Gesicht, dann lächelte er zaghaft.
    »Das ist schon besser«, sagte Ulrika. »Ich bringe dir meine Sprache bei und du mir deine, und wir werden Freunde sein, weil wir demselben Volk angehören.«
    Als sie dem Jungen nochmals die Hand bot, nahm er sie scheu. Ulrika war glücklich. Sie vergaß, wie spät es war, daß es draußen schon dunkel war und ihre Mutter immer noch nicht nach Hause gekommen war.
     
    Pauline begleitete die letzten Gäste zur Straße hinaus, küßte sie zum Abschied und kehrte zum Haus zurück. Ein heißer Wind kam plötzlich auf und fegte durch das welke Laub, daß es raschelte. Paulina eilte schneller durch den Garten und ging durch das Atrium zur Treppe, die zu ihren Zimmern hinaufführte. Doch auf halbem Weg blieb sie stehen. Im Innenhof saß jemand auf einer Bank. Sie ging näher und sah, daß es das Kind war, Ulrika. Ihr Gesicht wirkte sehr bleich im Mondlicht.
    »Was tust du hier draußen?« fragte Paulina.
    »Ich warte auf meine Mutter.«
    Paulina zog die Brauen hoch. »Sie ist noch nicht zu Hause?«
    Ulrika preßte die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. Es war Mitternacht. Sie saß schon seit Stunden hier, seit Eiric vom Sklavenaufseher geholt und ins Sklavenhaus zurückgebracht worden war. Das Abendessen, hatte sie nicht angerührt, sondern war voller Angst in den Hof hinuntergegangen, um zu warten.
    Paulina zögerte. Ein Impuls trieb sie, sich zu dem Kind zu setzen und es zu trösten; doch sie kämpfte ihn nieder.
    »Weißt du, wohin deine Mutter heute gegangen ist?« fragte sie.
    Wieder schüttelte Ulrika stumm den Kopf.
    Sie hat Angst, dachte Paulina. Sie möchte ihre Furcht nicht zeigen.
    Wieder verspürte sie den Trieb, das Kind zu trösten. Aber Paulina war stark. Gefühle ließen sich bezwingen, das wußte sie aus Erfahrung, wenn man sie nur entschlossen genug bekämpfte.
    »Vielleicht sollte ich jemanden schicken sie zu suchen«, meinte sie sachlich. »Ein paar von meinen Sklaven.«
    Ulrika blickte auf. »Ach ja, würdest du das tun?«
    Paulina wandte sich ab unter dem Blick der hoffnungsvollen Augen und bedauerte ihre Schwäche. Sie hätte diese beiden nicht hier aufnehmen sollen. Sie hatte es nur für Andreas getan …
    In diesem Moment öffnete sich das Tor, und einen Moment später trat Selene in den Hof.
    »Mutter!« rief Ulrika und rannte zu ihr.
    Selene schloß sie in die Arme. »Rikki! Es tut mir leid, daß ich dich beunruhigt habe. Ich hatte keine Möglichkeit, dir Nachricht zu geben.«
    Selene hob den Kopf und sah Paulina, die reglos im Strahl des Mondlichts stand. Ihr Gesicht zeigte Unbehagen und noch etwas anderes – Schmerz vielleicht?
    »Wo warst du, Mutter?« fragte Ulrika und entzog sich Selenes Umarmung.
    »Ich war im Äskulaptempel.«
    »Im Äskulaptempel!« rief Paulina. »Bist du krank?«
    »Nein, Paulina, ich war –«
    »Wenn du krank bist, kannst du dich an meinen Arzt wenden. Du brauchst doch nicht auf diese grauenvolle Insel zu gehen.«
    Ehe Selene eine weitere Erklärung geben konnte, fügte Paulina hinzu: »Es ist spät. Deine Tochter hatte große Angst um dich.«
    Selene und Ulrika stiegen Arm in Arm die Treppe hinauf.
    »Ach, Mutter, du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich mich um dich gesorgt habe.«
    »Es tut mir leid, Rikki«, antwortete Selene, während sie ihren schmerzenden Schenkel rieb und den Medizinkasten auf den Tisch stellte. Ihr Kleid war beschmutzt, ihr Haar hatte sich unter dem weißen Tuch gelöst und hing ihr in Strähnen ins Gesicht, doch ihre Augen blitzten. »Heute abend ist etwas Wunderbares geschehen, Rikki.«
    Während Ulrika warmes Wasser holte und in eine Schüssel füllte, damit ihre Mutter sich waschen konnte, berichtete ihr Selene von dem Mann, den sie zum Tempel auf der Insel gebracht hatte, und von dem schrecklichen Anblick, der sie dort überrascht hatte.
    »Es war unglaublich, Rikki! Hunderte von Menschen sind auf dieser kleinen Insel zusammengepfercht. Es gibt überhaupt keinen freien Platz. Und du hättest das Elend sehen sollen! Kranke und Verletzte zu Hunderten, Rikki, und nur eine Handvoll Brüder und Priester, die sich um sie kümmern. Der Hohepriester, ein Mann

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