Seelenfeuer
Paulina und dem Dichter Nemesis auf einem Sofa lag, beobachtete ihren Mann mit besorgtem Blick. Er sah an diesem Abend nicht gut aus.
»Falls das eine Anspielung auf Agrippina ist«, bemerkte Paulina, »so kann ich dir nur sagen, daß ich kein Wort von dem Klatsch glaube.«
»Ich schon«, entgegnete Maximus und wischte sich das schweißnasse Gesicht. Dann warf er sich eine Handvoll pikant gewürzter Walnüsse in den Mund und fügte hinzu: »Er sucht ihr Bett auf, sage ich euch.«
»Das Bett seiner eigenen Nichte?« fragte der Dichter.
»Ihr kennt Agrippina nicht«, sagte jemand mit gesenkter Stimme, um zu verhindern, daß die Bediensteten und die Musiker mithörten. »Sie ist eine gefährliche Frau. Sie hat nur ein Ziel: Ihren Sohn Nero auf den kaiserlichen Thron zu bringen. Und um dieses Ziel zu erreichen, schreckt sie vor nichts zurück, nicht einmal vor dem Beischlaf mit ihrem leiblichen Onkel.«
Juno, der auffiel, wie fahl das Gesicht ihres Mannes wirkte, sagte: »Aber Claudius’ Sohn Britannicus ist doch auch noch da. Er wird seinem Vater folgen.«
»Wenn er so lange lebt«, meinte Maximus schnaufend.
Nemesis, der Dichter aus Athen, der besuchsweise in Rom weilte, fragte: »Ist Messalina wirklich so schlimm, wie man sich erzählt? Sind die Geschichten wahr?«
Maximus wischte sich wieder das Gesicht. Trotz der kühlen Dezembernacht schwitzte er. »Die Geschichten sind noch harmlos«, behauptete er und nahm sich noch einmal von den Pilzen. »Ich weiß mit Sicherheit, daß in einer einzigen Nacht dreißig Männer sie besessen haben.«
»Ungeheuerlich!« sagte jemand lachend.
Maximus versuchte plötzlich, sich auf seiner Liege aufzusetzen.
Ein anderer Gast sagte: »Kann Claudius da überhaupt sicher sein, daß Britannicus sein Sohn ist? Wenn Messalina wirklich so –«
Juno schrie auf. Maximus war zusammengebrochen.
Paulina sprang auf. Als sie Maximus rücklings auf dem Boden liegen sah, um Atem ringend, das Gesicht schmerzverzerrt, schickte sie sofort einen Sklaven, den Hausarzt zu holen.
Juno kniete neben ihrem Mann und umschloß sein Gesicht mit beiden Händen. »Was ist, mein Liebster? Was ist dir?«
»Schmerz –« stieß er keuchend hervor.
»Es ist bestimmt der Magen«, sagte einer der anderen. »Er hat zuviel gegessen.«
»Bringt ihn zum Erbrechen«, riet Nemesis. »Das wird ihn erleichtern.«
Paulina sah voll Schrecken zu Maximus hinunter. Seine Lippen färbten sich blau.
»Er bekommt keine Luft!« rief Juno angstvoll.
»Leert ihm den Magen, sage ich euch.« Nemesis ließ sich neben Maximus auf die Knie hinunter und machte sich daran, seinen Mund zu öffnen.
»Wartet auf den Arzt«, sagte Paulina.
Doch einen Augenblick später kehrte der Sklave mit der Meldung zurück, der Arzt sei für den Abend ausgegangen.
»Gebt mir eine Feder«, befahl Nemesis. »Rasch!«
Paulina nickte dem Sklaven zu, und der rannte aus dem Zimmer.
»Das viele Essen«, sagte eine Frau händeringend. »Man kann sterben, wenn man zuviel ißt, wißt ihr das?«
»Sei still!« fuhr Paulina sie an. »Decius, bring deine Frau hinaus.«
Maximus’ Zustand verschlechterte sich sichtlich. Sein Gesicht war aschgrau, seine Kleider waren naß von Schweiß. Paulina fiel auf, daß er die Hände nicht auf den Magen drückte, sondern auf seine Brust.
Als der Sklave mit einer Feder zurückkehrte, riß Nemesis sie ihm aus der Hand und wollte sie Maximus in den Mund einführen.
»Warte!«
Alle sahen die junge Frau an, die ins Zimmer getreten war.
»Selene!« rief Paulina überrascht.
»Zwingt ihn nicht zu erbrechen«, sagte sie, Nemesis gegenüber niederkniend.
Sie zog ihm die Feder aus der Hand und warf sie weg.
»Augenblick –«
»Wenn du ihn zum Erbrechen zwingst, tötest du ihn«, erklärte Selene. Sie beugte sich über Maximus, befühlte Hals und Handgelenk, prüfte seine Augen, drückte ihr Ohr auf seine Brust. »Es ist das Herz«, sagte sie, als sie sich wieder aufrichtete.
Juno preßte erschrocken die Hand auf den Mund.
Selene griff zu ihrem Medizinkasten, den sie neben Maximus’ Kopf zu Boden gestellt hatte. Als sie unten den Tumult und dann die Meldung gehört hatte, daß der Hausarzt nicht erreichbar war, hatte sie ihren Kasten gepackt und war heruntergelaufen.
Hoffentlich, dachte sie inbrünstig, ist noch genug da … Sie schüttete etwas Pulver in ihre offene Hand, berechnete die Dosis, die sie für einen Mann von Maximus’ Gewicht brauchen würde und streute die entsprechende Menge dann in einen
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