Seelenfeuer
überraschen, daß sie ihre Einladung annahm. Spätestens zum Ende der Woche würde sie sich auf der Reise nach Pompeji befinden. Dieses Haus mußte für die Dauer ihrer Abwesenheit selbstverständlich geschlossen werden. Die beiden Gäste würden sich eine andere Bleibe suchen müssen.
Selene saß auf ihrem Bett und starrte niedergeschlagen auf ihren Medizinkasten. Er war fast leer.
Nach einer Weile stand sie auf und ging auf die Galerie hinaus, die im oberen Stockwerk rund um den Innenhof lief. Sie roch die Düfte der köstlichen Speisen, die unten aufgetragen wurden, hörte die Musik und das Gelächter von Paulinas Freunden. Das Fest dauerte nun schon Stunden und schien kein Ende nehmen zu wollen.
Selene wandte sich ab. Es wunderte sie, daß Ulrika bei diesem Lärm schlafen konnte. Sie hatte vor einiger Zeit in das Zimmer ihrer Tochter geschaut. Ulrika hatte sich nicht einmal gerührt. Leise hatte Selene die Tür wieder geschlossen. Warum sie wecken? Sie hatten nichts zu feiern; sie hatten keine Geschenke und kein Geld, welche zu kaufen.
Und kein Geld, dachte sie mutlos, um den Medizinkasten aufzufüllen.
Wie hatte sie es so weit kommen lassen können? Wie hatte sie so naiv sein können, zu glauben, daß ein Wunder sie retten würde? Der Hohepriester hatte sie gewarnt, hatte ihr gesagt, daß der Gott sich abgewandt hatte. Doch Selene, die nun seit zwei Monaten auf der Insel arbeitete, war sicher gewesen, daß Hilfe kommen würde. Aber nun war die Tempelkasse leer und ihre eigene Börse ebenfalls.
Ulrika hatte sie nichts davon gesagt. Warum das Kind beunruhigen? Und wie hätte sie es Ulrika erklären können? Wie kann ich erklären, daß ich in meiner törichten Hoffnung, der Gott werde schon für uns sorgen, unser letztes Geld für Arzneien ausgegeben habe. Und jetzt sind auch diese aufgebraucht.
Selene setzte sich wieder auf ihr Bett und nahm ein Gefäß nach dem anderen aus dem Kasten. Viele waren leer, in einigen waren noch Restbestände, ein oder zwei waren noch voll. In ein paar Tagen würde auch davon nichts mehr da sein.
Und was dann?
Selene rieb sich die Augen, während sie krampfhaft überlegte. Wie konnte sie das Geld aufbringen, neue Heilmittel zu kaufen? Sie wußte, sie konnte sich ein wenig Geld verdienen, wenn sie in die Stadt ging und dort ihre Dienste als Heilkundige anbot. Aber um das zu tun, brauchte sie Medizin. Und um diese zu kaufen, brauchte sie Geld.
Doch immerhin, sagte sich Selene dankbar, hatten sie dank Paulinas Großzügigkeit ein Dach über dem Kopf und genug zu essen. Und wir können bleiben solange wir wollen, tröstete sie sich, sich an Paulinas eigene Worte erinnernd.
Ihr wurde ein wenig leichter zumute. Im Grund konnten sie und Ulrika sich glücklich schätzen.
Im Speisezimmer sagte Maximus gerade: »Der arme alte Claudius. Es heißt, als sein Onkel Tiberius Kaiser war, bat Claudius ihn, ihm ein Staatsamt zu geben. Daraufhin bekam er den Titel eines Konsuls. Aber als Claudius auch die Pflichten eines Konsuls übernehmen wollte, soll der alte Tiberius zu ihm gesagt haben: ›Das Geld, das ich dir bezahle, ist dazu gedacht, bei den Saturnalien für Spielsachen vergeudet zu werden.‹«
Alle am Tisch lachten, und Juno fügte hinzu: »Jetzt ist er Kaiser und verschwendet sein Geld in Britannien.«
»Ich möchte nur wissen, was er sich davon verspricht«, meinte Paulina, während sie sich die Hände in einer goldenen Wasserschale wusch. »Was will er denn in Britannien?«
»Vielleicht gefällt es ihm in Britannien, weil er dort das Gespött Roms nicht hört.«
Paulina schüttelte den Kopf. »Claudius ist meiner Ansicht nach ein guter Mensch mit guten Absichten.«
»Pah. Jeder weiß, daß er nur Kaiser geworden ist, weil kein anderer da war. Hinter einem Vorhang versteckt fand man ihn nach Caligulas Ermordung. Die Prätorianer ernannten ihn zum Kaiser, weil er der einzige überlebende männliche Erbe der Claudier war.«
»Trotzdem!« beharrte Paulina. »In meinen Augen ist er ein Opfer. Claudius ist verdorben worden.«
»Und du brauchst nicht zu sagen, von wem«, warf Juno ein.
»Ist es denn möglich, daß er von Messalinas Treiben wirklich nichts weiß?« fragte ein anderer Gast. »Sieht er ihr lasterhaftes Treiben tatsächlich nicht?«
»Nein, weil er durch sein eigenes lasterhaftes Treiben geblendet ist«, versetzte Maximus und schob sich ein großes Stück Honigkuchen in den Mund, das er mit Wein hinunterspülte.
Juno, die ihm gegenüber zwischen
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