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Seelenfeuer

Seelenfeuer

Titel: Seelenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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dem schlafenden Jüngling, und sie sah, daß der assistierende Arzt dabei war, seinen Hals zu verbinden. Einen Moment stockte ihr der Atem. Auf den Tüchern waren Blutflecken.
    Kazlah winkte den Wächtern, und der junge Mann wurde von den Riemen befreit, die ihn fesselten, und aus dem Zimmer getragen.
    »Tritt näher, Fortuna«, forderte Kazlah sie auf. In seiner Stimme lag ein gebieterischer Unterton.
    Von plötzlicher Angst gepackt, wich Selene zurück.
    Kazlah zog fragend eine Braue hoch.
    »Verzeih, Kazlah, aber die Königin wird verärgert sein, wenn sie erwachen und sehen sollte, daß ich fort bin.«
    »Die Königin liegt in tiefem Schlaf, Fortuna. Das weißt du doch.«
    Selene hielt den Atem an. Das Zimmer um sie herum schien ihr zu schrumpfen, die kahlen Mauern schienen erdrückend nahe.
    »Komm her, Fortuna«, sagte Kazlah. »Es ist Zeit, dich in eines der raffinierteren Geheimnisse Magnas einzuweihen.«
    Als Selene auf ihn zutrat, öffnete sich die Tür, und die beiden Wächter brachten eine Frau herein. Sie war so schwarz wie das Ebenholz, aus dem Selenes Medizinkasten gemacht war, und in ihren Augen spiegelte sich Todesangst. Während die Wächter sie am Stuhl festschnallten, sagte Kazlah: »Das ist eine Sklavin aus Afrika. Wir wissen ihren Namen nicht, da sie nur einen primitiven Dialekt spricht. Sie wird auch den bald nicht mehr sprechen.«
    Selenes Blick traf den der verängstigten Frau, und einen Moment lang begegneten sich ihre Herzen in gemeinsamem Entsetzen. Dann zwang der assistierende Arzt die Sklavin, aus einem Becher zu trinken, den er ihr an die Lippen drückte. Es dauerte nicht lange, da fiel ihr Kopf nach vorn auf ihre Brust.
    »Das Opfer muß völlig bewußtlos sein, Fortuna«, bemerkte Kazlah. Er nickte dem anderen Mann zu, der den Kopf der Frau nach rückwärts zog und festhielt. »Der Hals muß völlig entspannt sein. Wenn auch nur die geringste Anspannung vorhanden ist, kann es geschehen, daß man versehentlich eines der großen Blutgefäße durchschneidet, die im Hals liegen, und dann ist ein Sklave vergeudet.« Der schmale Mund verzog sich zu einem flüchtigen Lächeln. »Bei diesem Geschäft kann man sich Ungeschicklichkeit nicht leisten.«
    Selene war wie betäubt. Von irgendwo aus den Gängen des Palasts erscholl die laute Stimme des Nachtwächters, der die Mitternachtsstunde ausrief. Sie dachte an Darius, der jetzt gewiß ängstlich nach ihr Ausschau hielt, und fühlte sich von einer entsetzlichen Angst umklammert.
    »Jetzt sieh genau her, Fortuna«, sagte Kazlah mit gesenkter Stimme, und ihr Blick glitt gegen ihren Willen zu seinen langen, schmalen Händen, die einen kleinen silbernen Pfeil hielten. Mit klopfendem Herzen sah Selene zu, wie Kazlah zunächst den Hals der bewußtlosen Frau musterte, dann die Spitze des dünnen, aber starken Pfeils an eine Seite ihrer Kehle führte.
    Einen Moment stand Kazlah wie gefroren, dann stach er zu, schnell und geübt, und Selene sah eine winzige Schnittwunde, aus der ein Blutstropfen quoll.
    »Hier kommt es einzig auf das Können an, Fortuna«, bemerkte Kazlah, während er seinen Pfeil auf der anderen Halsseite anlegte und wieder zustach. »Im Hals liegt ein Nerv, der die Sprache hervorbringt. Wie das geschieht, ist nicht bekannt. Aber wenn er durchtrennt wird – und ich habe ihn soeben durchtrennt –, ist es vorbei mit der Sprache. Man muß jedoch vorsichtig sein, daß man nicht eines der großen Blutgefäße verletzt, die zu beiden Seiten des Nervs liegen.«
    Selene konnte nur in stummem Entsetzen auf die schwarze Sklavin starren, die, nachdem man ihr den Hals verbunden hatte, von ihren Fesseln befreit und aus dem Raum getragen wurde.
    »Sieh dir dieses Instrument genau an, Fortuna«, befahl Kazlah und hielt es ihr auf der geöffneten Hand hin. »Sieh, wie fein die Pfeilspitze gearbeitet ist. Diese Schärfe! Einzig in Magna ist dieser Eingriff bekannt. Die barbarischen Völker bringen ihre Sklaven zum Verstummen, indem sie ihnen die Zunge herausschneiden, aber wie häßlich sieht das hinterher aus! Und was für unerfreuliche Laute die Sklaven danach von sich geben! Unsere Sklaven, Fortuna, beleidigen weder das Auge noch das Ohr.« Wieder das kalte Lächeln, ein leichtes Heben der Stimme.
    »Du kannst dich wahrhaftig glücklich preisen, Fortuna, denn ich werde dich in dieser seltenen Kunst unterweisen.«
    Wieder öffnete sich die Tür, und die Wächter führten einen weiteren Sklaven herein, einen blonden Mann diesmal, einen wahren

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