Seelenfinder
Körpers nimmt auch bei uns im Alter ab“, antwortete Quoll o . „Die Kraft des Geistes ist geblieben, ja gesteigert, aber die Unb e weglichkeit der Glieder behindert unsere alten Leute.“
„Mich wundert, dass sie so gelassen wirken“, meinte Dornbusch.
„Es muss ihnen doch schwer werden, aus dem Leben zu scheiden, wenn sie nachher, hoch über den duftenden blühenden Wiesen im hellen Sonne n schein, im Flugfahrzug sitzen und über den Wolken segeln.“
„Unseren Wissenschaftlern ist es gelungen, das Lebensalter bis auf zwe i hundert Jahre zu verlängern.“
„Das ist enorm alt. Wie haben Ihre Wissenschaftler das geschafft?"
„Sie haben lange studiert, sich genaue Kenntnisse erworben, was der Mensch in verschiedenen Altersperioden benötigt. Infolge der günstigen sozialen Einrichtungen auf dem Saparus sind wir in der Lage, unser Leben jederzeit entsprechend diesen Bedürfnissen einzurichten."
„So ist es also soweit gekommen, dass Sie sich selbst töten müssen, um überhaupt sterben zu können“, sagte Dornbusch zynisch. „War es das wert?“
„Es gibt keine Ewigkeit für Formen, für körperliche Dinge“, entgegnete Quoll o . „Also , auch nicht für das Dasein des Körpers. Wir haben aber den Zeitpunkt unserer natürlichen Auflösung so weit hinausgerückt, dass uns nur in den seltensten Ausnahmefällen eine derartig ausgedehnte leibliche Existenz erwünscht ist. Die Kindheit der Sapas ist kurz.
Schon nach wenigen Jahren geht sie in die bewusste Entwicklung, die J u gendzeit mit ihrem Durst nach Leben über. Das Mannesalter bringt das Hochgefühl des Besitzes von Kräften, die alle Schwierigkeiten überwinden können. Bei den Frauen ist dieser Abschnitt für Heiraten und Geburten z u ständig. Bei körperlichen Arbeiten und Sport, beim Lenken und Leiten von großen Gemeinschaften und Betrieben der Staatengemeinschaft gehen die Mannesjahre in jene der bleibende n Reife über. Gleich den Riesenbäumen dieses Landes vergleichbar, verharren wir in dieser Periode so lange, bis uns der wissenschaftliche Forschungseifer für irgendein Gebiet ergreift. Dann ziehen wir uns in die Einsamkeit, in das Land der Nächte zurück, und mei s tens ist der Sapa von seiner Ehefrau begleitet, von einer Seelenfreundin, die er in den vergangenen Daseinsperioden gefunden hat. Halten wir auch für die Aufgabe dieses Lebensalters für beendet, weil unsere Arbeitskraft abg e nommen hat, so trennen wir uns von unserem alt gewordenen Körper, wie es jetzt Brenton und Thekla tun will.“
„Warum wollen sie gerade heute sterben?“ wand Dornbusch ein.
„Sie haben selbst den Entschluss gefasst und die Stunde festgesetzt. Trot z dem würde niemand ein Stein auf sie werfen“, belehrte Quoll o , „wenn sie im letzten Augenblick zurücktreten sollten. Der Fall ist gar nicht so selten. Plötzlich, kurz vor dem Tod, erwacht der Trieb zum Leben. Man fühlt sich nicht mehr alt und möchte noch dies und jenes tun. Erst kürzlich hatten wir so einen Fall. Ein Geschichtsprofessor. Mit hundertsiebendundneunzig Ja h ren fiel ihm ein, ein neues Buch über unseren Planeten zu schreiben ... "
Quoll lachte. „Ja, so etwas gibt es auch. Aber irgendwann sterben muss er doch. Es gilt nämlich als Schande, durch einen Unglücksfall oder durch A l tersschwäche zu sterben. Die Sapas wollen bei vollem Bewusstsein und mit der Beruhigung sterben, ein darauf folgendes Dasein unserer Seele schon vor dem Scheiden aus der Saparuswelt eingeleitet und vorbereitet zu haben. Der Zufall ist dem Sapa ein unbekannter Begriff, ein Wort, das gleichbede u tend mit Unkenntnis und Unwissenheit ist.“
„Aber euer Planet heißt Saparus oder der Bezwinger des Todes. Und doch müsst ihr auch sterben, wie die Menschen . “
„Es stirbt nur die äußerliche Hülle, der Geist bleibt. Schon nach kurzer Zeit w erden sie wieder geboren werden. Entweder als das, was sie waren oder in einer noch höheren Stufe.“
Dornbusch sah, wie Brenton die Ansprache beendete und die Gäste sich alle wieder zum Luftfahrzug bewegten.
„Kommen Sie!“, rief Quoll o . „Wir fahren auch mit.“
Sie stiegen mit den anderen Leuten ein und suchten sich einen Fensterplatz.
Isona saß neben Dornbusch. Schüchtern nahm sie seine Hand und drückte sie sanft.
„Da, unten, sieh, Markus, die kleine Stadt. Hübsch nicht? Wie schön sie zwischen den hohen Bäumen gebettet liegt. Wir steigen hinab!“
„Dieser Ort heißt Stätte der Weisheit , erklärte Quoll o . „Das
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