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Seelenflüstern (German Edition)

Seelenflüstern (German Edition)

Titel: Seelenflüstern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Lindsey
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dem Friedhof zu sagen. Auf keinen Fall wollte ich Zak auch noch verlieren. »Hi, Zak«, sagte ich. Dabei trommelte ich mit dem Bleistift auf den Tisch. Er gab so lange keine Antwort, dass ich schon glaubte, er hätte aufgelegt.
    »Hey, Babe. Ich … ehm … das mit Freitagnacht tut mir wirklich leid. Ich weiß auch nicht, was mit mir los war.«
    Erst jetzt merkte ich, dass ich die Luft angehalten hatte. Ich atmete durch. »Schon okay, Zak.«
    »Kann ich es wiedergutmachen?«
    Meine Finger berührten ein Blatt Papier. Fast ohne es zu wollen, begann ich, es zu falten. »Klar. Wie denn?«
    »Wir könnten auf dem Kamah Boardwalk Meeresfrüchte essen. Und du fährst doch gerne Achterbahn, oder?«
    Während ich das Papier zu Dreiecken faltete, merkte ich, wie meine Anspannung nachließ und in die Knicke floss. »Ich liebe Achterbahnen. Klingt gut.« Meine Finger machten einfach weiter.
    »Prima. Lass uns nicht zu spät losziehen. Du musst ja morgen in die Schule. Ich hole dich gegen sechs ab, okay?«
    »Alles klar.« Ohne hinzusehen, zog ich an den Kanten der Dreiecke.
    Es entstand eine kleine Pause. Dann sagte Zak: »Alles in Ordnung bei dir? Du wirkst irgendwie abgelenkt.«
    Ich sah auf meine Hände. Die Trigonometrie-Hausaufgabe hatte sich in einen Kranich verwandelt. »Ja. Alles gut. Ich bin nur gerade erst mit dem Schulkram fertig geworden.« Vorsichtig faltete ich den Vogel wieder auseinander und strich das Arbeitsblatt glatt. »Also dann bis um sechs.«
    Nachdem ich mich umgezogen und mir die roten Killersandalen an die Füße geschnallt hatte, hielt ich an dem schmalen hohen Fenster neben der Haustür Ausschau nach Zak. Mom war immer noch sauer wegen des Ausflugs zum Friedhof, und ich hatte keine Lust auf weitere Diskussionen. Deshalb verabschiedete ich mich nicht von ihr.
    Wie durch ein Wunder schaffte ich es ohne Beinbruch bis zum Wagen. Hohe Absätze waren nicht mein Ding, aber Zaks Grinsen entschädigte mich für die Qual. Die Tür seines zerbeulten Delta 88 Oldsmobile ächzte, als er sie für mich öffnete. »Coole Treter!«
    »Ja. Die hat mir ein aalglatter Verkäufer angedreht. Er meinte, ich könnte ohne die Dinger nicht leben.«
    Zak schlang grinsend die Arme um meine Taille und zog mich an sich. Seine Wärme hüllte mich ein. »Gibt es sonst noch was, ohne das du nicht leben könntest?«
    »Ehm.« Ich machte mich los und rutschte in den Wagen. »Etwas zu essen.«
    Auf den ersten Blick wirkte er ganz locker. Aber das täuschte. Wenn er lächelte, lächelten seine Augen nicht mit. Auf der vierzigminütigen Fahrt nach Kemah unterhielten wir uns über alles Mögliche, nur nicht über die Stimmen, die ich hörte und darüber, was auf dem Friedhof passiert war.
    Als wir vom Highway abfuhren, wurden die Geräusche in meinem Kopf so laut, dass mir die Augen tränten.Vielleicht war nur der Straßenlärm daran schuld – oder aber die Stimmen wurden tatsächlich lauter. Immer wieder tauchten einzelne neue auf und verstummten dann wieder, aber ich verstand nicht, was sie sagten.
    »Alles klar, Babe?« Zak bog in den Parkplatz eines Bürogebäudes ein.
    Die Stimmen bedrängten mich nun so sehr, dass ich mir die Hände auf die Ohren presste und den Atem anhielt, damit ich nicht anfing zu schreien.
    »Sind es wieder die Stimmen?«
    Ich nickte, nahm die Hände von den Ohren und griff nach meiner Tasche. Weil ich so furchtbar zitterte, schaffte ich es nicht, den Reißverschluss zu öffnen. Zak machte ihn für mich auf und wühlte in der Tasche, bis er das Röhrchen mit den Tabletten fand. Er gab mir eine, ich biss ein Viertel ab und würgte es hinunter. Den Rest ließ ich in die Handtasche fallen.
    »Bleib locker, Lilian. Okay? Gib dem Zeug ein bisschen Zeit«, sagte Zak.
    Er massierte mir die Schultern, während ich darauf wartete, dass die Tablette wirkte. Das ging ziemlich schnell, denn ich hatte den ganzen Tag nichts gegessen. Dass das Xanax mich benommen machte, passte mir zwar nicht, aber wenigstens sorgte es dafür, dass die hartnäckigen Stimmen sich in ein undeutliches Hintergrundrauschen verwandelten.
    »Besser?« Zak strich mir das Haar aus der Stirn.
    Ich nickte.
    Er ließ den Wagen an und fuhr weiter. »Du solltest es wirklich deiner Mutter sagen. Ich mache mir Sorgen um dich.«
    Ich tat, als würde ich ihn genauso wenig hören wie das Störgeräusch in meinem Kopf.
    Der Kamah Boardwalk war ein Vergnügungsviertel an der Nordwestseite der Galveston Bay und durch Inseln und Landzungen vom Ozean abgeschirmt.

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