Seelenflüstern (German Edition)
würde vielleicht gar nicht antworten. »Unser Job war um einiges leichter, als du … als sie und ich zusammenwohnten.«
Meine Finger falteten weiter. »Habt ihr aus Liebe geheiratet?«
In meiner Handtasche zirpte das Handy, und Alden sah mir direkt in die Augen. »Rose hat mich geheiratet, weil es praktisch war. Augenblick mal bitte.« Er stand auf und ging zur Toilette. Anscheinend war er ziemlich durcheinander. Vielleicht hatte ich mit meiner Fragerei einen wunden Punkt getroffen. Ob Rose und Alden tatsächlich nur aus praktischen Gründen geheiratet hatten? Wirklich vorstellen konnte ich mir so etwas nicht. Vielleicht sagte er mir auch nicht alles.
Zaks SMS war ziemlich feindselig. Und er traf mit seiner Vermutung, ich würde mit Alden durch die Gegend ziehen und ihm etwas vorlügen, genau ins Schwarze. Anstatt ihm zu antworten, schaltete ich nur sämtliche Pieps- und Klingeltöne ab.
Alden setzte sich wieder zu mir, atmete ein paarmal tief durch und nahm einen Schluck Kaffee. »Danke, dass du mit den Tabletten aufgehört hast, Lilian.«
Woher wusste er das? Spürte er das auch? »Ehm, Alden, warst du auch zugedröhnt, wenn ich zugedröhnt war?«
Lächelnd nahm er meine Hände zwischen seine. »Nein. Deine Seele fühlte sich einfach nur fahrig und schwammig an. Sie war irgendwie aus dem Takt. So als wenn eine Garagenband mein Lieblingslied nachspielen würde. Ich erkenne das Lied, und es gefällt mir auch – aber ich will viel lieber das Original hören. Die echte Version.« Er drücktemeine Hände und rückte näher zu mir. »Ich bin froh, dass du den Seelenflüsterer-Job wenigstens mal ausprobierst. Ich bin stolz auf dich.«
Unsere Gesichter berührten sich fast. Sicher würde er mich gleich küssen. Doch er seufzte nur, ließ meine Hände los und lehnte sich zurück.
»Okay. Wo willst du dich mit der gestrandeten Seele beschäftigen, die sich beklagt, dass ihr etwas gestohlen wurde?«
Womit wir wieder bei der Arbeit gelandet wären. Ich strich die Serviette auf dem Tisch glatt. »Mir egal. Wo willst du es tun?«
»Nicht bei mir zu Hause. Meine kleine Schwester würde uns in den Wahnsinn treiben. Wie ist es bei dir? Lässt deine Mutter uns in Ruhe?«
»Mom muss im Büro noch etwas fertig machen und kommt heute erst nach zehn heim. Sie hat gesagt, wenn ich bis dahin nicht zu Hause bin, kriege ich Hausarrest. Vielleicht gehen wir wirklich besser zu mir.«
Alden zog sich bereits seine Jacke über. »Na prima. Dann haben wir ja jede Menge Zeit.«
A C H T Z E H N
A lden musste unten warten. Ich wollte mich erst mal umziehen und das schlimmste Chaos in meinem Zimmer beseitigen. Nachdem ich in Jeans und einen eng anliegenden roten Kaschmirpullover geschlüpft war, von dem ich hoffte, dass er ihm gefallen würde, stopfte ich im Eiltempo Sachen in diverse Schubladen oder schob sie unters Bett. Sein Zimmer sah aus wie ein Antiquitätengeschäft, meines wie eine Müllhalde. Rose war vermutlich immer akkurat und ordentlich gewesen.
»Soll ich dir helfen?«, rief er von unten. »Wie lange brauchst du denn zum Umziehen? Wir gehen nicht in die Oper – wir machen bloß eine Erlösung.«
»Komm rauf.« Ich verfrachtete einen Stapel frisch gewaschener Kleider in meinen Schrank.
Er setzte sich aufs Bett. »Bist du bereit?«
»Ja. Bringen wir die Erlösung hinter uns.« Ich ließ mich neben ihm nieder. »Warum bekommt man für diese Sorte mehr Punkte?«
»Weil Rückerstattungen oft kompliziert sind. Ruf die gestrandete Seele zu dir. Wir müssen den Fall vor dem Treffen morgen abgeschlossen haben. Da fällt mir ein – wir sollen am Mittag in Galveston sein. Was muss passieren, damit deine Mutter dich in der Schule krank meldet?«
Mom hatte mich diese Woche schon einmal entschuldigt. »Ich müsste sterben.«
»Das versuchen wir gerade zu verhindern.« Er zückte seinen Geldbeutel und nahm einen Zettel heraus. »Wie wär’s mit einem ärztlichen Attest?« Mit einem Stift von meinem Schreibtisch kritzelte er ein paar Worte auf das Formular. »Ich hole dich um zehn ab. Bring Kleider zum Wechseln mit, wenn du nicht in der Schuluniform nach Galveston fahren willst.« Er reichte mir den Zettel. Darauf war ein Untersuchungstermin bei einem Arzt vermerkt, den ich nicht kannte.
»Der RF macht’s möglich«, erklärte Alden. »Der Rat hat jemanden, die sich als Arzthelferin ausgibt, falls von den Wächtern oder Seelenflüsterern mal jemand nicht zur Arbeit oder zur Schule kann.«
»Dann sind
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