Seelenflüstern (German Edition)
Brillengläsern blinzelten uns fragend an.
Alden lächelte höflich. »Miss Karen Black?«
»Was wollen Sie?«, blaffte die Frau.
»Georgia schickt uns.«
Sie knallte uns die Haustür vor der Nase zu. Alden zog eine Grimasse und klopfte an die Tür. »Bitte, Miss Black. Wir wollen nur mit Ihnen reden. Wenn Sie die Halskette zurückgeben, verschwindet Georgia für immer.«
»Ich weiß nichts von einer Georgia«, rief sie.
»O doch. Wir kennen die ganze Geschichte. Geben Sie Ihrer Nichte die Kette, und alles wird gut.«
»Niemals!«, schrie die Frau hinter der Tür. »Die Kette hätte ich erben sollen. Ich bin die Älteste. Und ich werde damit begraben werden. Sie gehört mir.«
Alden stöhnte. »Bitte, Miss Black. Georgia hat Ihrer Mutter auf dem Sterbebett ein Versprechen gegeben. Solange es nicht erfüllt ist, kann sie ihren Weg nicht zu Ende gehen. Deshalb verfolgt ihre Seele Sie jetzt. Wenn Sie sich endlich einen Ruck geben, ist der Spuk vorbei.«
»Verschwinden Sie, sonst rufe ich die Polizei.«
»Sture alte Ziege«, murmelte Alden auf dem Weg zurück zum Wagen.
Die Nachbarin im Haus nebenan sah uns vom Fenster aus hinterher. Alden öffnete die Fahrertür, ging dann aber auf die andere Seite des Wagens und setzte sich auf den Beifahrersitz. Ich stand mitten auf der Straße und sah ihn durch die geöffnete Tür an.
»Fahr uns zu meinem Haus, Lilian.«
»Ich habe keinen Führerschein.«
»Egal.«
Bislang hatte ich nur ein paar Theoriestunden gehabt und ein, zwei Mal hinterm Steuer gesessen. »Ich kann aber noch fast gar nicht fahren.«
Alden lachte. »Das ist schlecht, weil du nämlich allein wieder hierherfahren wirst.«
»Und wo bist du in der Zeit?«
»In deinem Körper. Meinen lassen wir bei mir zu Hause. Wir müssen das zusammen machen, falls man uns erwischt. Zwei Seelen sind besser als eine.« Er schnallte sich an.
Erwischt werden? Na toll. Ungläubig starrte ich ihn an. Ich hatte wirklich keine Lust, seinen schicken Wagen zu Schrott zu fahren. »Warum erledigen wir die Sache nicht einfach gleich jetzt?«
Er seufzte theatralisch. »Weil jemand meinen seelenlosen Körper finden könnte. Dem RF würde das gar nicht gefallen und man würde mich stilllegen. Aber ich möchte gerne noch eine Weile leben.«
»Wenn das so ist, solltest du mich vielleicht nicht ans Steuer lassen.«
Alden sah mich an. »Pass auf, Lilian. In nicht ganz zwei Stunden kommt deine Mutter nach Hause, und in weniger als vierzehn Stunden treffen wir einen DARF-Vertreter. Wir brauchen diese Erlösung. Sie nicht hinzukriegen, wäre für uns beide um einiges tödlicher als ein Autounfall. Und außerdem ist der Wagen versichert«, fügte er grinsend hinzu.
Was er gerade gesagt hatte, musste ich erst mal verdauen. »Heißt das, wenn wir das Halskettenproblem nicht lösen, bringen die uns um?«
»Einen Fall wie unseren hat es bisher noch nie gegeben. Du bist vor fünf Tagen erschienen. Erfahrene Seelenflüsterer – und zu denen gehörst du eigentlich – schaffen im Durchschnitt zwanzig Punkte pro Tag. Fünfzehn sind die Untergrenze. Und morgen ist schon dein sechster Tag. Das heißt, du müsstest um die Mittagszeit neunzig Punkte haben. Im Augenblick sind es aber nur vierzig. Die Halskettennummer bringt uns zusätzliche fünfundzwanzig. Wir liegen damit zwar immer noch unter dem Durchschnitt, aber vielleicht drückt der RF ein Auge zu. Wir brauchen die Punkte dringend.«
Bibbernd schob ich mich hinters Lenkrad. »Warum kannst du nicht in meinem Körper selbst fahren?«
»Weil beim Seeleneinen ein Teil meiner Seele in meiner eigenen Hülle bleibt. Aber nur eine vollständige Seele – die eines Toten zum Beispiel – kann einen anderen Körper steuern und kontrollieren.«
»Ich könnte uns doch nachher einfach wieder herbringen. Warum soll ich denn jetzt schon fahren?«
»Zur Übung. Dann bist du später vielleicht nicht mehr so nervös. Wenn du tatsächlich so schlecht fährst, wie du behauptest, übernehme ich, und wir rufen für die Rückfahrt hierher ein Taxi. Allerdings wäre es mir lieber, das nicht zu tun. Je weniger Zeugen wir haben, desto besser.«
Wirklich froh machte mich das alles zwar nicht, aber es leuchtete mir ein. Mit angehaltenem Atem drehte ich den Zündschlüssel. Zum Glück hatte der Audi ein Automatikgetriebe.
Nach einer schweißtreibenden Fahrt mit einem Durchschnittstempo von knapp 30 Stundenkilometern bog ich schließlich in Aldens Hauseinfahrt ein und bügelte dabei nicht einmal den
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