Seelenflüstern (German Edition)
Kette herauszugeben. Sicher würde sie uns nur zu gerne hinter Gittern sehen.
»Meine Mutter bringt mich um«, stöhnte ich zum zehnmillionsten Mal.
Sie wird nie etwas davon erfahren. Wenn wir Glück haben, funktioniert mein Plan. Wenn nicht, dann hat der RF die Angelegenheit innerhalb kürzester Zeit geklärt.
»Meinst du, die sperren mich ein?«
Nein. In solche Situationen geraten Seelenflüsterer ständig. Der RF hat gute Beziehungen zur Polizei. In den letzten zwei Jahren war der Rat an der Aufklärung einiger ziemlich spektakulärer Mordfälle in der Stadt beteiligt. Selbst wenn die uns mit auf die Wache nehmen, hast du nichts zu befürchten.
»Moment mal. Hast du nicht gesagt, die Seelenrettungsmissionen seien streng geheim?«
Ich sagte, es erfahren nur diejenigen etwas, die unbedingt davon wissen müssen. Der RF und die höchsten Polizeikreise arbeiten eng zusammen. In einer Art Geheimdienst für übersinnliche Angelegenheiten. Die meisten gewöhnlichen Cops ahnen davon nicht mal was. Falls man uns auf die Wache bringt, melden wir es dem Rat. Dort kennt man die richtigen Ansprechpartner und weiß, wie man die Sache aus der Welt schafft. Bitte vertrau mir. Ich passe gut auf dich auf.
»Ach ja? Ich sitze hier in Handschellen wie ein Schwerverbrecher. Verstehst du das unter ›gut aufpassen‹?«
Beruhige dich, Lilian. Sonst denken die noch, du bist plemplem. Vergiss nicht, dass die glauben, du würdest allein hier sitzen. Also reiß dich zusammen.
»Du hast gut reden. Du wanderst ja nicht in den Knast.«
Du auch nicht.
Miss Black hielt in ihrem uralten Cadillac vor dem Haus. Die beiden Polizisten ließen die aufgeregte Vogelfrau stehen und schlenderten zu Miss Blacks Wagen. Doch bevor sie ihn erreichten, fing die alte Frau plötzlich an, mit den Armen zu fuchteln, als müsste sie einen ganzen Wespenschwarm verjagen. Sämtliche Lichter und Lämpchen in ihrem Auto flackerten, während die Fenster rauf- und runterfuhren.
Gutes Mädchen!, freute Alden sich in meinem Kopf. Dieser Teil seines Plans schien tatsächlich zu funktionieren.
Der Wagen begann zu schaukeln, als würde er von unsichtbaren Kräften geschüttelt. Miss Black hielt sich schreiend die Ohren zu, während aus dem Autoradio in voller Lautstärke eine Fahrstuhlversion von Elton-John-Melodien plärrte.
Georgia bot uns eine multimediale Spukvorstellung, ließ sogar das Abblendlicht aufflackern und legte sich auf die Hupe. Wenn zwischen mir und lebenslangem Hausarrest nicht nur ein einziger Anruf eines Polizisten gestanden hätte, hätte ich gelacht.
Ziemlich ratlos blieben die Cops ein paar Schritte vom Wagen entfernt stehen.
So schnell der Irrsinn begonnen hatte, so plötzlich hörte er wieder auf. Ein paar Augenblicke lang saß Miss Black schnaufend hinter dem Steuer, dann stürzte einer der Polizisten zu ihr und half ihr aus dem Wagen. Was die beiden miteinander redeten, hörte ich nicht. Aber Miss Black zeigte dabei immer wieder auf mich.
Nach endlos langen Minuten, in denen ich glaubte, mein Herz würde stehen bleiben, unterschrieb Miss Black ein Formular, das der Polizist ihr auf einem Klemmbrett hinhielt. Dann gab er ihr einen Umschlag, lehnte sich an einen Baum und füllte dort den Vordruck weiter aus. Der andere Cop öffnete die hintere Tür des Streifenwagens.
»Okay, junge Dame. Anscheinend war das Ganze ein Missverständnis. Sie hätten uns sagen sollen, dass Sie Miss Blacks Nichte sind und dass die Kette Ihnen gehört. Vermutlich hätten wir Ihnen sogar geglaubt. Immerhin kannten Sie den Code der Alarmanlage. Warum haben Sie uns nicht einfach alles erklärt?«
»Ich hatte so schreckliche Angst.« Das war die reine Wahrheit.
»Na ja, jedenfalls können Sie jetzt gehen. Drehen Sie sich bitte um, damit ich Ihnen die Handschellen abnehmenkann.« Er befreite mich von den Dingern, gab mir Aldens Wagenschlüssel und mein Handy, aber nicht die Kette, die die Polizisten mir bei der Festnahme abgenommen hatten.
Frag ihn, wo die Halskette ist, Lilian. Wir brauchen sie , sagte Alden.
»Ehm, Sir? Wo ist meine Kette denn jetzt?«
Der Cop befestigte die Handschellen wieder an seinem Gürtel. »Wir haben sie Ihrer Tante übergeben.«
O nein! Das ist ja zum Heulen.
»Und ob das zum Heulen ist!«
Der Polizist sah mich fragend an. »Was haben Sie gesagt?«
Ich rieb mir heftig die Handgelenke. »Ach, ehm. Die Handschellen haben zum Heulen wehgetan.«
»Tut mir leid«, sagte der Polizist. Er sah sich meine Handgelenke an. »Aber man
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