Seelenflüstern (German Edition)
Feigling?«
»Feigling?«
Die Wächter sahen einander an. Maddi schob sich mit Boo Bear in der Hand ein wenig näher an Izzy heran. Alden blieb neben seiner kleinen Schwester in der Hocke.
»Nur ein Feigling würde sich an einer Vierjährigen vergreifen«, sagte ich.
Izzys Körper zerrte an den Fesseln. »Nur ein Feigling würde sich vor einer Vierjährigen fürchten. Binde mich los.«
»Nein. Ich kann dir etwas Besseres anbieten. Du bekommst von mir genau das, was du so gerne haben willst. Du kannst in meine Hülle kommen und mit mir reden.«
Sein Lachen knisterte in der Luft wie elektrische Spannung. »Aber sicher doch. Und kurz bevor ich drin bin, wirst du durch deinen Geliebten blockiert. Das hatten wir doch schon mal.«
»Alles okay, Izzy?«, rief Alden.
Izzys Kopf drehte sich zu ihm, doch die Antwort kam von Smith. »Du willst mit der süßen kleinen Elizabeth sprechen? Hier bitte!«
Izzy warf sich so schnell auf den Rücken, dass Alden keine Chance hatte, es zu verhindern. Ihr Kopf schlug mit einem scheußlichen Knall auf dem Asphalt auf. DerSchmerzensschrei kam in ihrer eigenen Kleinmädchenstimme.
»Das soll aufhören, Alden! Mach, dass es aufhört«, jammerte sie.
Alden nahm Boo Bear aus Maddis Hand und legte ihn in Izzys Schoß. »Du musst Boo Bear jetzt ganz fest anschauen, Izzy. Sei tapfer und denk nur an Boo. Dann passiert dir auch nichts.«
»O Boo«, wimmerte Izzy.
Alden nahm sie in die Arme; schniefend schmiegte sie sich an ihn.
Dann erstarrte sie plötzlich und biss Alden in den Hals. Vor Schreck und Entsetzen schrie ich auf. Als ich das viele Blut sah, das sich in Aldens Hemd saugte, zog sich mein Magen zusammen. Mit geschlossenen Augen kämpfte ich gegen die Übelkeit an.
Bilder von Alden in einer Gefängniszelle flackerten durch meinen Kopf. Bilder von Smith in einem weißen Hemd, wie er mir mit einem Weinglas zuprostete. Der hasserfüllte Blick – böse wäre ein zu schwacher Ausdruck gewesen –, als die Soldaten ihn wegschleiften. Roses Erinnerungen.
»Schluss jetzt!«, schrie ich. »Das reicht. Du willst mich? Dann komm rein, Smith. Und du gehst jetzt raus, Race.«
Augenblick noch, Lilian. Warte. Alden ist noch nicht bereit, sagte Race.
»Nein. Ab jetzt läuft Plan B. Smith will mich und keinen von euch. Dass er jemanden verletzt, weil zwischen ihm und mir in einem früheren Leben etwas passiert ist, woran ich mich nicht mal erinnere, lasse ich nicht zu. Komm, Smith. Wir schreiben die Geschichte neu.« Ich stand auf. »Los, Race, verschwinde endlich. Und Alden, du bleibst, wo du bist!«
Alden hielt sich den Hals und schüttelte den Kopf. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor.
»Das ist mein voller Ernst, Alden. Ich kenne die Regeln. Ohne Erlaubnis der Seelenflüsterin darfst du nicht in die Hülle eindringen. Diese Sache geht nur mich und Smith etwas an.«
Das kannst du nicht machen, Lilian, warnte Race. Smith ist zu stark. Das schaffst du nicht.
Nun platzte mir endgültig der Kragen. Alle glaubten immer, mich beschützen und meine Schwächen ausbügeln zu müssen. Ich hatte die Nase gestrichen voll. »Raus jetzt, Race!«
Das Gefühl, bei seinem Austritt innerlich zerrissen zu werden, war so stark, dass mir schwindelig wurde. Aber bevor ich wieder richtig Luft bekam, steckte schon eine andere Seele in mir. Es war, als würden meine Eingeweide brennen. Noch nie zuvor hatte ich mich so schrecklich gefühlt. Vorsichtig holte ich Luft und stellte dann erleichtert fest, dass diese Seele sich bekannt anfühlte. Sie hatte schon einmal in mir gewohnt. Gut, dass Alden meine Anweisung nicht befolgt hatte und vor Smith in mir gewesen war.
»Und was jetzt?«, flüsterte ich.
Ja, was jetzt?, antwortete Smith.
S I E B E N U N D Z W A N Z I G
B ring Elizabeth hier weg, Race«, schrie Alden. Race schleppte Maddis leeren Körper zum Truck. Alden schnallte seine kleine Schwester auf dem Beifahrersitz fest. Die Lehne hatte er flach zurückgestellt; er legte ihr Boo Bear in den Schoß.
»Danke, Maddi. Ich rufe dich an, wenn es vorbei ist«, sagte er zu seiner Freundin im Körper seiner vierjährigen Schwester. Izzy sah furchtbar hilflos aus. Genau so, wie ich mich in diesem Augenblick fühlte.
Wie ein Embryo lag ich mit angezogenen Armen und Knien auf dem asphaltierten Dach des Parkhauses. Mein Körper bebte, weil das Böse sich durch mich hindurchpflügte wie ein Bulldozer. Smiths Gegenwart fühlte sich ungeheuer kraftvoll an. Im Vergleich dazu war meine erste
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