Seelengesaenge
absolute Kontrolle über die Lebenserhaltungssysteme und die Verdauungsorgane von Valisk, und das verschafft ihm große Macht. Er könnte beispielsweise das Wasser und die Nahrung vergiften oder die gegenwärtige Atmosphäre durch reinen Stickstoff ersetzen und uns ersticken, ja er könnte sie sogar in den Raum entweichen lassen. Er kann die axiale Leuchtröhre abschalten und uns erfrieren lassen oder uns mit ihrer Hilfe kochen. Nichts von alledem würde ihm langfristig schaden; die Biosphäre kann neu gepflanzt und die Bevölkerung ersetzt werden. Er schert sich noch weniger um Menschenleben als wir es tun; Rubras einzige Priorität ist er selbst. Es ist, wie ich von Anfang an gesagt habe: Alles, was wir erreichen, ist vollkommen wertlos, bevor wir ihn nicht eliminiert haben. Aber du wolltest mir ja nicht zuhören.«
»Und warum hat er dann noch nichts von alledem unternommen, du Arschloch?« fragte Stanyon voller Verachtung.
Kiera legte beruhigend eine Hand auf sein Bein unter dem Tisch. Stanyon war ein guter Stellvertreter; seine beeindruckende Stärke trug ein Gutteil zu dem Gehorsam bei, der ihr entgegengebracht wurde, und im Bett war er ein exzellenter Ersatz für Ross Nash. Eine ausgeprägte Intelligenz gehörte allerdings nicht zu seinen Qualitäten.
»Ja«, sagte sie mit gleichförmiger Stimme zu Dariat. »Warum eigentlich nicht?«
»Weil wir einen Trumpf in der Hand halten, mit dem wir ihn zügeln können«, erwiderte Dariat. »Wir können ihn töten. Unsere Hellhawks besitzen genügend Kombatwespen an Bord, um hundert Habitate zu zerstören. Wir haben ein Abschreckungsgleichgewicht – wenn wir offen gegeneinander kämpfen, werden beide Seiten vernichtet.«
»Offen? Was soll das heißen?« fragte Bonney herausfordernd.
»Höchstwahrscheinlich konferiert er gegenwärtig mit dem edenitischen Konsensus über Methoden, wie man die Possession rückgängig machen kann. Und wie ihr alle wißt, suche ich nach einem Weg, meine Persönlichkeit in das neurale Stratum zu transferieren, ohne daß er mich daran hindern kann. Auf diese Weise könnte ich die Kontrolle über das Habitat erlangen und ihn gleichzeitig eliminieren.«
Und genau das ist nicht die Lösung, die mir vorschwebt, dachte Kiera.
»Warum tust du es dann nicht?« fragte Stanyon. »Warum gehst du nicht in das verdammte Stratum und bekämpfst den Bastard auf seinem eigenen Grund und Boden? Hast du etwa Angst?«
»Das neurale Stratum akzeptiert allein Rubras Gedankenroutinen. Falls eine Routine nicht aus seinem eigenen Persönlichkeitsmuster entspringt, kann sie im neuralen Stratum von Valisk nicht funktionieren, so einfach ist das.«
»Aber du hast die Routinen schon mehr als einmal manipuliert!«
»Genau. Manipuliert ist das richtige Wort. Ich habe das verändert, was bereits da war. Ich habe nichts ersetzt.« Dariat seufzte ergeben und stützte den Kopf in die Hände. »Seht mal, ich arbeite inzwischen seit fast dreißig Jahren an diesem Problem. Konventionelle Methoden sind gegen Rubra absolut unwirksam. Dann dachte ich bereits, ich hätte die Lösung, wenn Affinität durch diese energistischen Fähigkeiten verstärkt wird. Damit hätte ich diverse Sektionen des Stratums modifizieren können, die Zellen zwingen, meine eigenen Routinen zu akzeptieren. Ich stand kurz vor dem Durchbruch, als dieser besoffene Kretin Ross Nash unsere Deckung hochgehen ließ. Danach setzten wir unseren Kampf offen fort und zeigten Rubra, wozu wir imstande sind, schön und gut, aber dadurch verloren wir unseren wichtigsten Vorteil. Er ist jetzt wachsam wie noch niemals zuvor. Das hat er im Verlauf der letzten zehn Stunden mehr als einmal bewiesen. Wenn ich jetzt versuche, einen Strang des Stratums zu verändern, damit es meine Persönlichkeit akzeptiert, fällt es aus der homogenen Gesamtarchitektur heraus, und Rubra verändert einfach die biolektrischen Komponenten der Zellen. Damit sterben sie augenblicklich ab. Fragt mich nicht, wie – vielleicht unterbricht er die natürlichen chemischen Regulatoren, oder er grillt sie mit überladenen elektrischen Nervenimpulsen. Ich weiß es nicht! Aber er blockiert jeden Versuch in dieser Richtung bereits im Ansatz!«
»Das ist ja alles ziemlich interessant«, sagte Kiera kalt. »Aber wir wollten nur wissen, ob du ihn schlagen kannst?«
Dariat lächelte, und sein Blick schweifte in die Ferne. »Ja. Ich kann ihn schlagen. Ich werde ihn schlagen, ich spüre die Berührung Chi-ris. Es gibt einen Weg, und ich werde ihn
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