Seelengesaenge
Stühle, Pritschen –, und was nicht in Gebrauch war, wurde zusammengeklappt und weggestellt. Wie um Louises Elend zu vervollständigen, stellte sich die Schwerelosigkeit als absoluter Alptraum heraus.
Es war die reinste Ironie. Genevieve war während des Fluges in den Orbit von Minute zu Minute munterer geworden, und Louise hatte sich immer schlimmer gefühlt. Als die Raketenmotoren abgeschaltet wurden und die Schwerelosigkeit eintrat, kreischte Genevieve voller Begeisterung, öffnete ihren Sicherheitsgurt und wirbelte kichernd und sich überschlagend durch die Kabine. Selbst Fletcher hatte sich nach dem anfänglichen Schreck wegen des neuen Gefühls schließlich entspannt und lächelte nun zaghaft, während er unter Genevieves anfeuernden Rufen ein paar gymnastische Übungen absolvierte.
Ganz im Gegensatz dazu Louise. Ihr war speiübel gewesen während des Rendezvousmanövers, als das Raumflugzeug die ganze Zeit Kurskorrekturen durchgeführt hatte. Sie benötigte mehrere Anläufe, um mit dem Schlauch zurechtzukommen, der für derartige Zwischenfälle vorgesehen war. Sehr zum offenen Ekel der anderen Insassen in der Kabine.
Louise hatte immer noch Übelkeit verspürt, oder zumindest Magenkrämpfe, als sie durch den Andockschlauch in die winzige Messe des Raumschiffs geschwebt waren. Endron, der Systemspezialist und Bordarzt der Far Realm, hatte sie gleich mit in das kleine Krankenabteil genommen. Zwanzig Minuten später, nachdem das entsetzliche Verlangen in ihrem Magen versiegt war und sie irgendeine kühle Flüssigkeit eingeflößt bekommen hatte, die den widerlichen Geschmack von Erbrochenem wegspülte, fand sie zum ersten Mal Zeit für ihre Umgebung. Ihre Ohren fühlten sich eigenartig an, und als sie mit der Hand danach tastete, bemerkte sie etwas Hartes, das sich an die Rückseite schmiegte.
»Das ist ein nanonisches Medipack«, klärte Endron sie auf. »Ich habe Ihnen zwei Stück hinter die Ohren gelegt. Versuchen Sie nicht, sie abzureißen; die Nanos sind in Ihre Innenohren eingedrungen. Das sollte ausreichen, um Ihren Gleichgewichtssinn zu beruhigen.«
»Danke sehr«, erwiderte Louise schwach. »Entschuldigen Sie, daß ich so viele Umstände bereite.«
»Tun Sie gar nicht. Wenn nur Ihre Schwester auch so still wäre wie Sie.«
»Oh. Das tut mir leid. Macht Genevieve Ihnen viel Ärger?«
Er lachte auf. »Nein, nicht wirklich. Wir sind nur nicht an Mädchen in ihrem Alter hier an Bord gewöhnt, das ist alles.«
Louise zog die Hand von dem nanonischen Medipack zurück. Als sie auf ihre Finger blickte, entdeckte sie ein merkwürdiges grünes Band, das sich um ihr Handgelenk schmiegte. Es sah aus wie stumpfer Kunststoff, einen Zoll breit und vielleicht einen halben Zoll dick. Es besaß keinen Verschluß und schien aus einem Stück zu bestehen. Als sie es näher betrachtete, stellte sie fest, daß es mit ihrer Haut verschmolzen war, doch sie spürte keinen Schmerz.
»Noch ein Medipack«, erklärte Endron trocken. »Auch das bitte nicht anfassen.«
»Ist das auch für mein Gleichgewicht?«
»Nein. Dieses Medipack kümmert sich um Ihre anderen Umstände. Es stabilisiert Ihre Blutchemie, und falls es metabolische Probleme wegen der Schwerelosigkeit entdeckt, sendet es eine Warnung an mich.«
»Andere Umstände?« fragte Louise ängstlich.
»Sie wissen doch sicherlich, daß Sie schwanger sind, oder nicht?«
Louise schloß die Augen und nickte. Sie schämte sich zu sehr, als daß sie ihn ansehen konnte. Ein vollkommen Fremder, und er wußte Bescheid! Wie furchtbar!
»Sie hätten Furay Bescheid sagen sollen«, hielt er ihr freundlich vor. »Schwerelosigkeit verursacht beträchtliche physiologische Veränderungen in einem Körper, ganz besonders dann, wenn man nicht daran gewöhnt ist. Und in Ihrem Zustand hätte man Sie wirklich besser vorbereiten müssen, bevor das Raumflugzeug gestartet ist.«
Eine Träne quetschte sich unter ihrem geschlossenen Augenlid hervor. »Es ist doch alles in Ordnung, oder? Das Baby? Oh, bitte, ich wußte das nicht!«
»Pssst.« Endrons Hand strich beruhigend über ihre Stirn. »Dem Baby geht es wunderbar. Sie sind eine sehr gesunde junge Frau. Es tut mir leid, wenn ich Ihnen Angst gemacht habe; wie ich schon sagte, wir sind nicht an Passagiere gewöhnt. Ich nehme an, für Sie ist das alles genauso fremdartig.«
»Ist wirklich alles in Ordnung?«
»Ja. Und die Nanonik trägt dafür Sorge, daß es auch so bleibt.«
»Danke. Vielen, vielen Dank! Sie sind sehr
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